Laufzeitverlängerung in Spanien durch die Hintertür
Über das Gesetz zum "nachhaltigen Wirtschaften" wurde die Laufzeitbegrenzung für Atomkraftwerke gestrichen
Man könnte es einen kopernikanischen Schwenk nennen, den die sozialistische spanische Regierung in der Atompolitik hinlegt. Real ist es keiner, denn seit 2004 hat sie nichts getan, um das Versprechen umzusetzen, aus der Atomkraft auszusteigen. Nun wird klar, dass auch in Spanien aus dem nie begonnenen Ausstieg wieder ausgestiegen wird. Denn nun wurde sogar die Höchstgrenze für den Betrieb von Atomkraftwerken gestrichen, der bisher auf 40 Jahre begrenzt war. Man hat in Madrid auch diese Frage noch schnell über einen Änderungsantrag in das Gesetz zum "nachhaltigen Wirtschaften" gepackt, in dem auch schon Internetsperren auf administrativem Weg durch das Parlament gebracht werden sollten.
Kamen die Websperren zunächst auch über die Wikileaks-Dokumente zu Fall, passierte die mögliche Laufzeitverlängerung durch die Hintertür am späten Mittwoch problemlos das Parlament. Es ist schon erstaunlich, dass es die Atomkraftbefürworter der konservativen Volkspartei (PP) sind, welche die Regierung unter Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero darauf aufmerksam machen, dass nun ein Wahlversprechen definitiv beerdigt wurde.
Der Sprecher der Sozialisten (PSOE) im Kongress, José Antonio Alonso, wies die Vorwürfe zurück, dass ein Schwenk stattgefunden habe. Die Regierung verhalte sich "verantwortlich", erklärt er. Denn mittelfristig ändere sich nichts. Erst ab 2020 "wird die Frage unter Beachtung der Energieversorgung in unserem Land behandelt und wir setzen weiter auf Erneuerbare Energien", behauptete er. Angeblich halte die PSOE an dem 2008 wiederholten Wahlversprechen fest, "die Atomkraft stetig durch saubere und billigere Energiegewinnung zu ersetzen, womit die Atomkraftwerke geordnet am Ende ihrer Lebenszeit stillgelegt werden."
Doch dann hätte es keinen Grund gegeben, die Laufzeitgrenze von 40 Jahren zu streichen. Ohnehin hat die Regierung schon 2009 das bisherige Gesetz und das Ausstiegsversprechen gebrochen, als die Laufzeit des Pannenreaktors Garoña über die Grenze von 40 Jahre hinaus verlängert wurde. Man darf gespannt sein, ob dieser Meiler tatsächlich, wie nun versprochen, nach 42 Jahren 2013 abgeschaltet wird. Die 466 Megawatt Leistung werden ohnehin längst nicht mehr gebraucht, schließlich müssen immer wieder Windkraftanlagen abgeschaltet werden, weil sich die Atommeiler nicht vernünftig herunterregeln lassen. Bisweilen liefern die Erneuerbaren Energien (EE) schon fast die Hälfte des gesamten Stroms in Spanien.
Es zwängt sich der Eindruck auf, dass entgegen aller Bekundungen die Atomkraftfrage tatsächlich auch ein bedeutender Gegenstand in den Verhandlungen des Sozialpakts über die Rente mit 67 war. Es dürfte kein Zufall sein, dass zunächst die Gewerkschaften für Zugeständnisse die Laufzeitverlängerung angeboten haben und kurz nach Verabschiedung des Abkommens die Laufzeitgrenze plötzlich per Änderungsantrag in einem laufenden Gesetzgebungsverfahren gestrichen wird.
Und damit wird das Abkommen noch peinlicher, dass die beiden großen spanischen Gewerkschaften mit den Unternehmen und der Regierung geschlossen haben. Denn sie haben nicht nur die Rente mit 67 geschluckt und einen Kündigungsschutz gibt es praktisch auch nicht mehr. Seit dem Generalstreiktag gegen die Arbeitsmarktreform sind diese beiden Gewerkschaften merklich still geworden. Dabei hat die Reform nichts gebracht, die Zeitarbeitsverträge gehen nicht zurück, die Arbeitslosigkeit steigt weiter und die Hälfte der Jugend ist schon ohne Job.
Da kann Greenpeace lange mit der Beschäftigungswirkung von Erneuerbaren Energien werben, wenn CCOO und UGT vor allem Besitzstände von Stammbelegschaften (auch in Atomkraftwerken) vertreten. Oder hat deren Verhalten auch damit zu tun, dass die beiden Gewerkschaften im vergangenen Jahr von der Regierung 15 Millionen Euro an Subventionen erhalten haben? Denn ohne das Geld der Regierung, könnten diese beiden Gewerkschaften den Laden dicht machen.