Leben auf dem Wärmesee

München will sein warmes Grundwasser als Energiequelle für die geplante Vollversorgung bis 2020 anzapfen

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Die bayerische Landeshauptstadt verfolgt weiter ihr Autarkieziel und könnte damit zum Vorbild für andere Städte werden. Bis 2020 soll nicht nur der Stromverbrauch vollständig aus der Stadt und ihrem Umland kommen (Telepolis berichtete), auch bei der Wärmeversorgung will man bisher ungenutzte Energiequellen in das Selbstversorgerkonzept mit einbeziehen. Und dazu gehört auch das warme Grundwasser unter der Stadt.

Das Bundesland finanziert deshalb zur Zeit ein Messprogramm. Im Gebiet Fürstenfeldbruck bis nach Freising ermitteln Gemeinden, Wasserversorger und Messnetzbetreiber, koordiniert vom Bayerischen Landesamts für Umwelt an 6.500 Grundwassermesspfeilern gemeinsam Wasserstand, Fließrichtung und Temperaturentwicklung des oberflächennahen Grundwassers. Ähnliche Untersuchungen die gerade in Berlin und Karlsruhe laufen dienen dem gleichen Ziel, das Grundwasser als Pufferspeicher zum Heizen und Kühlen zu nutzen.

In München hatten stichpunktartige Messungen über die Jahre 2009 bis 2011 ergeben, dass die Grundwassertemperaturen der Landeshauptstadt vor allem durch die Speichermasse der Gebäude und die Abwärme der städtischen Infrastruktur im Untergrund teilweise erheblich über den natürlichen Grundwassertemperaturen liegen. Statt im Jahresmittel Temperaturen um die 10° hat das Grundwasser in weiten Teilen der Münchner Innenstadt Temperaturen bis 17° und teilweise bis 20° C.

Die Idee ist, dieses Wärmereservoir sowohl zu Heiz- als auch zu Kühlzwecken zu nutzen. Bei höheren Grundwassertemperaturen können Wärmetauscher das Temperaturniveau direkt nutzen; und auch Wärmepumpenheizungen arbeiten mit einer wärmeren Energiequelle wesentlich effizienter, weil weniger Energie für die Kompression nötig ist. Gleichzeitig kann das Grundwasser bzw. der Untergrund der Stadt genutzt werden, um unerwünschte Wärme aus Gebäuden und Technikräumen im Untergund zu speichern - für eine spätere Nutzung als Heizenergie.

Allerdings ist es nicht allein mit neuer Technik zur Energiegewinnung und einer neuen Energiequelle getan. Damit das Heizen mit der Erdwärme wirklich umweltfreundlich ausfällt, müssen perspektivisch auch die Heizungssysteme in den Gebäuden umgestellt werden, also weg vom Heizkörper (der wegen seiner relativ kleinen Fläche höhere Temperaturen braucht) hin zu Flächenheizungen wie Fußbodenheizungen etc., damit mit niedrigeren Heizungstemperaturen gearbeitet werden kann - und das Ganze funktioniert am besten in gut gedämmten Gebäuden. Die neuen Standards wurden bereits definiert und werden mit der Energieeinsparverordnung (EnEV 2014) dann ab Mai verbindlich.

Durchschnittstemperaturen des Münchner Grundwassers bei der Messreihe der Jahre 2009-2011 rot=über 14°C, lila= über 17°C. Quelle: Referat für Gesundheit und Umwelt