Leipzig steigt aus der Braunkohle aus
Stadtwerke wollen künftig Fernwärme selbst produzieren. Braunkohlefreunde laufen Sturm
Im Leipziger Umland und in der sächsischen Landespolitik gibt es seit einigen Wochen große Aufregung. Die Leipziger Stadtwerke haben beschlossen, ab 2023 keine Fernwärme mehr aus dem Braunkohle-Kraftwerk Lippendorf beziehen zu wollen. Stattdessen soll bis dahin ein 150-Megawatt-Gaskraftwerk entstehen, das sowohl die Fernwärmeversorgung übernehmen wie auch Strom produzieren kann.
Dagegen hat sich, wie die Leipziger Volkszeitung schon Mitte Dezember berichtete, eine Allianz aus Vertretern der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie und Lokalpolitikern von Union bis Linkspartei gebildet. Einer der Vorwürfe lautet, dass die "Positionen des Freistaates Sachsen und des Mitteldeutschen Reviers in der aktuellen Strukturwandel-Debatte" mit dem Leipziger Vorstoß geschwächt würden.
Die Front verläuft aber offensichtlich quer sowohl durch die Umlandsgemeinden als auch die Parteien. Immerhin tritt die Linkspartei in Land und Bund für den Ausstieg aus der Braunkohle ein. Die Beteiligung der Oberbürgermeisterin der südlich von Leipzig gelegenen Stadt Borna, Simone Luedtke (Linke), an dem Bündnis steht also im Widerspruch zu den Beschlüssen ihrer Partei.
Genauso finden sich im Leipziger Umland auch CDU-Lokalpolitiker, die ganz im Gegensatz zur braunkohlefreundlichen Politik ihrer Partei den Leipziger Vorstoß unterstützen. So hat sich aus in der Stadt Groitzsch der Ortschaftsrat von Berndorf hinter die Leipziger gestellt, wie die Leipziger Volkszeitung an anderer Stelle schreibt.
"Wir wollen oder vielmehr müssen doch alle aus der Kohle aussteigen“, zitiert die Zeitung den Ortsvorsteher Jens Riemann von der Wählervereinigung. „Jetzt hat jemand den Mut zu einer Entscheidung, da wird sie schlechtgeredet." Riemann ist zugleich auch CDU-Mitglied. Neben dem Klimawandel treibt ihn aber auch die Sorge um die ebenfalls zu Groitzsch gehörenden Nachbardörfer Pödelwitzt und Obertitz um, die eventuell noch einem Braunkohletagebau weichen müssen.
Derweil begründet Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) den geplanten Umstieg mit der Unsicherheit über die Zukunft der Braunkohle. Es sei inzwischen klar, dass ausgestiegen werden müsse. Es ginge nur noch um den Zeitpunkt. Da in fünf Jahren ohnehin der Fernwärme-Liefervertrag mit dem Braunkohlekraftwerk Lippendorf (knapp 2000 Megawatt elektrische Leistung, Besitzer LEAG) ausläuft, hat die Stadt die Gelegenheit ergriffen, sich unabhängig zu machen. Man wolle nicht gegebenenfalls durch den Umstieg in eine Zwangslage geraten.
Jung räumt ein, dass das neue Kraftwerk zunächst die Emissionen in der Region erhöhen wird, wenn das Kraftwerk Lippendorf noch weiter läuft. Das neue Gaskraftwerk solle anfänglich mit Erdgas, perspektivisch aber auch mit Biogas und Methan betrieben werden, das zuvor mit Überschussstrom synthetisiert wurde.
Letzteres wird auch Windgas genannt und gilt als eine der Möglichkeiten, wie bei einem weiteren Ausbau der Erneuerbaren Strom gespeichert werden könnte. Dabei muss allerdings mit einem Energieverlust in der Größenordnung von 40 Prozent gerechnet werden.
Laut Wikipedia ist das Kraftwerk Lippdorf seit 1999 in Betrieb. Zur elektrischen Leistung von knapp 2000 Megawatt kommen maximal 330 Megawatt Wärmeleistung hinzu, mit dem zur Zeit Leipzig und Umland versorgt werden. Insgesamt ergebe sich damit ein Wirkungsgrad von 46 Prozent. Oder mit anderen Worten: Etwas über die Hälfte der in der Braunkohle gebundenen chemischen Energie bleibt ungenutzt. Das heißt, nur der geringere Teil der Abwärme kann genutzt werden.