Letzte Zwangsabgabe in Europa "endete vor Erschießungskommando"

Börsen reagieren nervös auf die Zypern-Entscheidung und die Risikoaufschläge für Krisenländer steigen

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"Europa wirft Grundsätze über Bord", schrieb die große spanische Tageszeitung El País am Montag zur Entscheidung , dass Sparer in Zypern für die Bankenrettung zur Kasse gebeten werden. In dem Artikel spricht José Carlos Díez, Chefökonom von Intermoney, von einer "ökonomischen Absurdität". Er erinnert daran, dass bisher nur ein Land in Europa einen solchen Weg in einer Schuldenkrise gegangen ist: "Es war in den 1980er Jahren das Rumänien unter Ceaușescu und der endete vor einem Erschießungskommando", zieht der Professor des katholischen Wirtschaftsinstituts Icade einen drastischen Vergleich.

Doch er steht damit nicht allein. "Es wächst das Risiko, dass sich Ersparnisse verflüchtigen", titelt auch die Wirtschaftszeitung Cinco Días. Sie weist darauf hin, dass das Zypern-Rezept auch auf Sparer in anderen Ländern angewendet werden könnte. Die Zeitung spricht von einem Tabubruch, da die Abgabe von 6,75 Prozent sogar bei Spareinlagen erhoben werden soll, die eigens durch eine EU-Richtlinie bis 100.000 Euro geschützt wurden, während Senior-Gläubiger und Anleihegläubiger in Zypern ausgenommen würden.

Die Ängste haben sich auch deutlich an den Kapitalmärkten gezeigt. In Spanien sind sie besonders groß, weil sich Banken hier in einer besonders starken Schieflage befinden und mit Bankia sogar das viertgrößte Institut gerettet werden muss. Der Leitindex Ibex 35 rauschte an der Madrider Börse um drei Prozent in den Keller, während der Risikoaufschlag für spanische Staatsanleihen im Vergleich zu Bundesanleihen um 24 Basispunkte auf 370 stieg. Zehnjährige spanische Papiere wurden wieder mit einem Zinssatz deutlich über der Schwelle von fünf Prozent gehandelt.

Ganz ähnlich verhielten sich die Kapitalmärkte in Portugal und Italien. In Lissabon ging der PSI-Index um knapp zwei Prozent in Keller, während der Risikoaufschlag ebenfalls um 25 Basispunkte auf 476 stieg. Auch in Mailand verlor der italienische Leitindex im frühen Handel fast drei Prozent, während der Risikoaufschlag für Italien um 15 Punkte auf knapp 330 Basispunkte stieg. In allen drei Ländern waren es vor allem Banktitel, die große Verluste verzeichnet haben. Die Bankaktien verloren zum Teil bis zu fünf Prozent ihres Werts.

"Operation ohne Betäubung"

In Spanien sind die Ängste deshalb besonders groß, weil die Bankenrettung längst angelaufen ist. 40 Milliarden Euro wurden schon aus dem EU-Rettungsfonds in Banken gepumpt. Dabei wird es nicht bleiben. Insgesamt wurden schon bis zu 100 Milliarden Euro genehmigt. Für den Ökonomen Santiago Niño Becerra ist es ohne Zweifel möglich, dass auch spanische Sparer mit einer Zwangsabgabe belegt werden könnten. "Das zu negieren, ist absurd", meint er mit Blick auf die Aussagen von Vertretern der konservativen Regierung. Die versucht zu beruhigen und erklärt, das Vorgehen in Zypern sei nicht auf Spanien übertragbar. Der angesehene Wirtschaftswissenschaftler spricht in seinem "Börsenbrief" von einer "Operation ohne Betäubung". Bei Nacht und Nebel sei die "Axt am Vertrauen" angelegt worden.

Erwartet wird, dass wie im vergangenen Frühjahr wieder massiv Geld aus Spanien abgezogen wird, als die Kapitalflucht dramatisch wurde. Analysten wie Annalisa Piazza von der Newedge Group befürchten sogar, dass es zu einer "Panik in der ganzen Peripherie der Euro-Zone" kommen könne. Denn auch die Bürger dieser Länder könnten nun nicht mehr ausschließen, dass ähnliche Abgaben auch in ihren Ländern eingeführt werden.

In Spanien erinnert man sich noch gut an die Prognosen von Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman. Er hielt im Frühjahr 2012 einen "Corralito" nach Vorbild Argentiniens in Spanien und Italien jederzeit für möglich. Er erklärte angesichts der Kapitalflucht, dass sie Spanien und auch Italien dazu zwingen dürften, Auslandsüberweisungen zu verbieten und Bargeldauszahlungen stark einzuschränken. Er sprach in diesem Zusammenhang von der "Eurodämmerung" und einem möglichen Ende des Euro. Das Szenario könnte durch das Vorgehen in Zypern nun in den großen Euroländern auf die Tagesordnung rücken. Ausländisches Kapital werde nun geradezu "ermuntert", wieder aus Krisenländern wie Spanien abgezogen zu werden, resümiert die große El País in einem Leitartikel.

Mit dem Vorgehen in Zypern könnten alle Bemühungen, zu einer Beruhigung in der Euro-Krise zu kommen, zunichte gemacht worden sein, befürchten auch Experten außerhalb Spaniens. Es gehe das Gefühl um, "dass die Euro-Krise zurückkehren könnte und dass es zu einer vollen Ansteckung kommt“, meint der Investmentstratege Shane Oliver von AMP Capital in Sydney. Gespannt werden nun Versteigerung von spanischen Staatsanleihen am Dienstag und Donnerstag erwartet. Dabei kann sich zeigen, wie stark der Fluchtimpuls ist. Insgesamt 10 Milliarden Euro will Madrid auch mit Anleihen von bis zu zehn Jahren Laufzeit einnehmen.