Liberaldemokrat Nick Clegg will bis heute Abend über eine Zusammenarbeit mit den Tories entscheiden
Währenddessen könnte der Labour-Premierminister Brown seinen Platz räumen, um die Bedingungen für eine "progressive alliance" zu erleichtern
Berichten mehrerer britischer Zeitungen zufolge will Nick Clegg, der Vorsitzende der Liberaldemokraten, bis heute Abend eine Entscheidung über eine Zusammenarbeit mit den Konservativen treffen. Als Alternative bietet sich ihm eine "progressive alliance", wie sie Alex Salmond, der Chef der Scottish National Party (SNP) am Wochenende forderte. Sie soll neben LDP, Labour und SNP auch die moderaten nordirischen Katholiken von der SDLP und die walisische Regionalpartei Plaid Cymru umfassen.
Clegg, der sich am Wochenende nicht nur mit dem Tory-Führer David Cameron, sondern kurz auch mit dem noch amtierenden Labour-Premierminister Gordon Brown traf, fürchtet jedoch angeblich, dass ein Bündnis mit dem abgewählten Premier auf eine nur geringe Akzeptanz beim Wähler stoßen und den Ausgang eines von Labour in Aussicht gestellten "praktisch sofortigen" Referendums über eine Reform des Wahlrechts negativ beeinflussen könnte. Abgemildert werden könnte solch ein Effekt möglicherweise dadurch, dass Brown zurücktritt und eines seiner Kabinettsmitglieder die Führung übernimmt: Dafür im Gespräch sind neben Browns Stellvertreterin Harriet Harman auch Außenminister David Miliband und der "Bilderberger" Lord Mandelson, der allerdings als typischer Protagonist des korruptionsbelasteten Blair-Netzwerks gilt, mit dem sowohl Tories als auch Liberaldemokraten Wahlkampf gegen Labour machten.
Darüber, was bei den Koalitionsgesprächen zwischen Tories und Liberaldemokraten bisher angeboten wurde, sind sich die britischen Zeitungen uneins: Während die Times davon spricht, dass Camerons Angebot eine Wahlrechtsreform beinhalten würde und der Telegraph von einem weitreichenden Entgegenkommen der Konservativen spricht, will der Guardian Informationen darüber haben, dass der Tory-Führer parteiintern verbreitete, er werde kein Referendum über Schritte in Richtung Verhältnismäßigkeitswahlrecht zulassen, sondern lediglich ein Allparteienkomitee, das über das Thema sprechen soll.
Simon Hughes, der energiepolitische Sprecher der Liberaldemokraten, ließ bereits durchblicken, dass ihm solch ein Komitee zu wenig wäre, weil das 1997 von Tony Blair versprochene Vorhaben schon einmal auf eine ähnliche Weise still und langsam beerdigt wurde. Über solch ein Gremium hinaus sieht Cameron mögliche Zugeständnisse angeblich darin, das Oberhaus wählen zu lassen und das Unterhaus zu verkleinern. Letzteres würde den Liberaldemokraten bei Beibehaltung des bisherigen Mehrheitswahlrechts allerdings eher schaden als nützen.
Gut möglich ist, dass statt einer Koalition eine Minimalduldung vereinbart wird, mit der sich die Liberaldemokraten dazu verpflichten, Cameron ins Amt zu wählen und einen ersten Haushalt durchzulassen, sonst aber abstimmen wie sie wollen. Für solch eine Minimalduldung dürften freilich auch die Zugeständnisse der Konservativen minimal sein.