Linksregierung oder Neuwahlen in Spanien?
Die Rechten können nicht erneut regieren, da auch die Sozialisten "Nein" zu Rajoys Volkspartei (PP) sagen
Das Zweiparteiensystem in Spanien ist am Sonntag definitiv beerdigt worden. Interessant wird nun, ob eine Regierung zustande kommt, wie sie aussehen oder ob es Neuwahlen geben wird. Ein Novum in Spanien, da die Spanier bisher schon in der Wahlnacht wussten, wer die nächsten vier Jahre regieren wird.
Zwei neue Parteien sind dafür verantwortlich, die das System aufgemischt haben. Hervorzuheben ist dabei die linke Podemos (Wir können es), die aus dem Stand mit fast 21% eine großen Sprung ins Parlament gemacht hat. Die rechten Ciudadanos (Bürger) erzielten mit knapp 14% einen Erfolg, blieben aber weit hinter den Erwartungen zurück. Alle Prognosen sahen sie auf dem dritten und manche sogar auf dem zweiten Rang. Wieder einmal zeigte sich, dass mit der "Aufbereitung" linke Parteien unterschätzt und rechte überschätzt werden. Eine Konstante in Spanien.
Der große Verlierer ist die ultrakonservative Volkspartei (PP). Offiziell zwar meistgewählte Formation, stürzte die PP von Regierungschef Mariano Rajoy von knapp 45% - womit sie eine absolute Mehrheit hatte – auf knapp 29% ab. Das bedeutet, dass der Plasma-Präsident den Denkzettel bekommen hat und politisch am Ende ist. Es zeigte sich ein klarer Linksruck. Denn die abtrünnigen Stimmen für die postfaschistische PP landeten nicht – wie sich die PP-Strategen erhofften – bei den Ciudadanos, also den jungen PP-Abtrünnigen unter Albert Rivera, sondern zum Teil auch bei Podemos.
Doch auch die PSOE stürzte deutlich weiter ab. Ihr gelang es unter dem neuen und jungen Parteichef Pedro Sánchez nur, den Abgang zu bremsen. Fuhr sein Vorgänger 2011 mit knapp 28% das historisch schlechteste PSOE-Ergebnis ein, worauf er zurücktreten musste, stürzten die Sozialdemokraten nun sogar auf gut 22% ab. Und dass es nicht noch schlimmer kam, das verdankt Sánchez seiner größten Widersacherin. Susana Díaz hat ihn im bevölkerungsreichsten Andalusien gerettet. Sie gewann mit knapp 32% damit die einzige Region für die PSOE und begrenzte so den Aufstieg von Podemos.
Sánchez weiß, dass Díaz damit in die Startlöcher katapultiert wurde, um ihn als Parteichef und Spitzenkandidat abzulösen. Das gälte vor allem im Hinblick auf mögliche Neuwahlen, da die Regierungsbildung sehr schwierig wird. Klar ist, dass die PP gemeinsam mit den Ciudadanos keine Regierung bilden können. Rivera übte deshalb sofort Druck auf die Sozialisten aus, damit sie durch eine Enthaltung im Parlament eine Rechtsregierung tolerieren.
Die PSOE lehnt das logischerweise ab, denn das wäre eine Suizidstrategie, und will mit Nein zu stimmen, wie definitiv schon heute erklärt wurde. Denn sonst würde Sánchez sich gegen den klaren Wählerwillen stellen. Er hat zwar der PP als "meistgewählter Partei" das Recht eingeräumt, "eine Regierungsbildung zu versuchen", doch er weiß genau, dass das für Rajoy praktisch unmöglich ist. Er und seine PP haben es sich mit Katalanen, Basken, Kanaren, Galiciern, ob mit Linken oder Christdemokraten, derart verscherzt, dass sie gegen jede PP-Regierung stimmen werden.
Podemos will eine Verfassungsreform und bietet Katalanen ein Refrendum an
Rechnerisch wäre eine große Koalition drin. Die ist aber praktisch ausgeschlossen. Sie würde die PSOE spalten und Podemos noch stärkeren Auftrieb verschaffen. So bleiben entweder Neuwahlen, mit ungewissem Ausgang für die PSOE angesichts der aufstrebenden Podemos, oder eine von ihr gestützte PSOE-Regierung mit Unterstützung der Vereinten Linken (IU). Und in der könnte Sánchez (noch) die Führung beanspruchen. Die IU hat mit knapp 4% der Stimmen angesichts des Podemos-Phänomens einen Achtungserfolg erzielt.
Die IU leidet mit ihren zwei Sitzen noch stärker als Podemos unter dem ungerechten Wahlsystem. Sie fliegt aber nicht aus dem Madrider Parlament wie zuvor aus vielen Regionalparlamenten, verliert aber den Fraktionsstatus. Gemeinsam hätten Podemos und IU als linke Kraft die PSOE deutlich überflügeln können und insgesamt eben nicht nur 71 Sitze, sondern vermutlich mehr als die Sozialdemokraten erhalten.
Eine Linksregierung hätte auch Unterstützer. Iglesias öffnete ihnen am Montag schon die Tür. Eine "Verfassungsreform" sei unumstößliche Bedingung dafür. "Spanien hat den Wandel gewählt", sagte er. Er geht auf linke und christdemokratische Basken, Katalanen, Galicier und Kanaren zu. Diese Reform müsse die "sozialen Rechte der Bevölkerung absichern" und das ungerechte Wahlrecht ändern. Wie ungerecht das ist, zeigt sich an der Sitzverteilung. PSOE und Podemos haben ähnlich viele Stimmen, doch die PSOE erhält 90 Parlamentarier, doch Podemos nur 69.
Iglesias will den Nationen in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts ermöglichen, über die Unabhängigkeit von Spanien abzustimmen. Das ließ die PP (auch die PSOE bisher) nicht zu. "Katalonien ist eine Nation", sagte Iglesias ungewöhnliche Worte für einen spanischen Politiker und erkennt damit eine historische Wahrheit hat. "Wir sind für ein Referendum." Podemos wolle dabei aber für einen Verbleib in Spanien werben und dafür Katalonien eine Möglichkeit anbieten. Dieses Referendum ist Bedingung der erstarkten Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) für eine Unterstützung, die nun mit neun statt mit drei Parlamentariern im Madrider Parlament vertreten ist.