Lukaschenko lässt Prozessbeobachter ins Land
Der Oppositionspolitiker Ales Michalewitsch wirft dem Lukaschenko-Regime Foltermethoden vor und bekommt nun die Rache des KGB zu spüren
Nach dem die EU am 31. Januar Sanktionen gegen das Regime von Alexander Lukaschenko beschlossen hat, sprach vieles für eine lang anhaltende Eiszeit zwischen dem Westen und Weißrussland. An den frostigen diplomatischen Beziehungen dürfte sich in absehbarer Zeit auch nicht viel ändern, doch immerhin werden am heutigen Mittwoch aller Voraussicht nach vier OSZE-Beobachter nach Minsk reisen, wo sie die anstehenden Prozesse gegen die rund 30 Regimekritiker beobachten sollen, die sich wegen der Proteste vom 19. Dezember vor Gericht verantworten müssen.
Die Reise ist umso überraschender, da diese nicht auf Druck des Westens zustande kam, sondern durch das Entgegenkommen Lukaschenkos ermöglicht wurde. Am Montag lud Lukaschenko die Beobachter der OSZE ein, damit diese sich selber davon überzeugen, dass sich "das Land als Mitglied der OSZE an seine Verpflichtungen halte", wie ein Regierungssprecher erklärte.
Mit dieser Einladung möchte das autoritäre Regime die anstehenden Prozesse offenbar nicht nur als legitim erscheinen lassen und somit auch die Sanktionen des Westens, die Lukaschenko vergangene Woche in einem für die Washington Post als "undemokratisch" bezeichnete, als ungerechtfertigt darstellen, sondern auch gegen die negativen Schlagzeilen vorgehen, die das Regime vergangene Woche machte.
Während die UNO Weißrussland beschuldigte, drei Kampfhubschrauber an den sich an der Macht klammernden Laurent Gbagbo geliefert zu haben, trotz eines seit 2004 bestehenden Waffenembargos gegen die Elfenbeinküste, wirft das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri dem Lukaschenko-Regime vor, Libyens Machthaber Gaddafi in den letzten Wochen massiv unterstützt zu haben. Und dies nicht nur mit Waffen, die noch Mitte Februar in das von Kämpfen zerrüttete Land gelangt sein sollen, sondern auch mit einem möglichen Asyl der Gaddafi-Familie in der ehemaligen Sowjetrepublik.
Ob es aber Lukaschenko gelingt, die anstehenden Prozesse gegen die Oppositionellen als fair erscheinen zu lassen, darf jedoch stark bezweifelt werden. Die Bedenken ließ jedenfalls Ex-Präsidentschaftskandidat Ales Michalewitsch größer werden, der am 20. Dezember wegen seiner angeblich Verwicklung in die gewalttätigen Proteste gegen die Präsidentschaftswahlen verhaftet wurde. Am 19. Februar wurde der Oppositionspolitiker zwar aus der "Amerikanka", wie das Minsker KGB-Gefängnis umgangssprachlich genannt wird, entlassen, doch er tauschte die Gefängnisgitter nur gegen einen Hausarrest ein. Ohne polizeiliche Genehmigung durfte Michalewitsch seinen Aufenthaltsort nicht verlassen. Doch schon dies musste er sich erkaufen, indem er sich schriftlich zur Zusammenarbeit mit dem KGB verpflichtete.
Dennoch trat Michalewitsch am 28. Februar vor die Presse und erhob gegen das Regime schwere Vorwürfe. Bei der Pressekonferenz widerrief der Oppositionspolitiker nicht nur seine Verpflichtung zur Mitarbeit mit dem Inlandsgeheimdienst, sondern warf dem KGB auch Foltermethoden vor. Schlafentzug, Demütigungen durch Leibesvisitationen, aber auch körperliche Gewalt sollen vom KGB angewendet worden sein, um von Michalewitsch und den anderen Inhaftierten Schuldbekenntnisse zu bekommen.
Wie nicht anders zu erwarten, dementierte der KGB die Vorwürfe: "Derartige Berichte entsprechen nicht der Wirklichkeit und sind verleumderisch." Doch der Geheimdienst ließ es bei dieser Gegendarstellung nicht beruhen. Wie Michalewitsch der polnischen Gazeta Wyborcza berichtete, wurde er nach seiner Pressekonferenz zum KGB beordert. Dort wurde ihm im Beisein seines Rechtsanwalts ein Film gezeigt, der während eines seiner Verhöre, bei dem es um Lukaschenko und westliche Diplomaten ging, heimlich aufgezeichnet wurde. Aus diesem Material werde ein Film gedreht, der ihn als Oppositionspolitiker diskreditieren werde, kündigte der KGB-Offizier an.
Und dass dies keine leere Drohung war, bewies der Geheimdienst am vergangenen Wochenende. Am Samstag veröffentlichte der KGB auf seiner Internetseite einen in der Haft geschriebenen Brief von Michalewitsch an Alexander Lukaschenko. "Ich bitte Sie, mein weiteres Schicksal in Ihre Hände zu nehmen", heißt es in dem Schreiben vom 9. Januar.
Bei dem Rufmord wird es aber nicht bleiben. Für die angebliche Anstiftung und Teilnahme an den gewalttätigen Protesten vom 19. Dezember drohen Michalewitsch, gegen den jetzt auch noch wegen Verleumdung der Staatsorgane ermittelt wird. sowie sieben weiteren Präsidentschaftskandidaten Haftstrafen von bis zu 15 Jahren. Insgesamt könnten fast 30 Oppositionelle mit solchen Strafen belegt werden. Dass das Regime sich nicht davor scheut, die Opposition für mehrere Jahre ins Gefängnis zu sperren, wurde vergangene Woche deutlich. Wegen ihrer angeblichen Teilnahme an den Protesten wurden drei Oppositionelle zu Haftstrafen zwischen drei und vier Jahren verurteilt.