Marokko wirft EU-Fischerboote aus Hoheitsgewässern
Das Königreich ist sauer, weil das EU-Parlament das Fischereiabkommen aufgrund des Westsahara-Konflikts aufgekündigt hat
Marokko hat EU-Fischerbooten seit Donnerstag verboten, weiter in den Hoheitsgewässer des Landes zu fischen. Mit deutlichen Worten machte Rabat klar, dass "keinerlei Fischereiaktivität" mehr geduldet werde. Das Ministerium für Landwirtschaft und Fischfang reagierte damit auf die Entscheidung des Europaparlaments, das seit 2007 bestehende Fischereiabkommen mit dem nordafrikanischen Land nicht weiter zu verlängern. Die Entscheidung "markiert eine bedauerliche Entwicklung mit schwerwiegenden Konsequenzen zwischen Marokko und der EU", schrieb das Ministerium in einer Presseerklärung.
Das autokratische Königreich, das ebenfalls mit einer starken Demokratiebewegung konfrontiert ist, droht mit Konsequenzen, die über Fischereifragen hinausgehen. Das hat die Regierung unmissverständlich verständlich gemacht, denn es wird die "allgemeine Neubewertung" der Beziehung zur EU angedroht. Es ist aber unklar, ob sich die neue Regierung der moderaten Islamisten an den vorgegebenen Kurs der Nationalisten hält. Dass die abgewählte Regierung so weit geht und sich mit der EU anlegt, hängt damit zusammen, dass sich das Land in einer zentralen Frage auf den Schlips getreten fühlt. Denn bei der Entscheidung, bei der mit 326 gegen 296 Stimmen die Verlängerung des Vertrags abgelehnt wurde, wird nicht nur auf die zu hohen Kosten von mehr als 36 Millionen Euro und die Überfischung abgehoben, die damit befördert werde. Vor allem sind von der Entscheidung spanische Fischer betroffen und das Land hat schon Entschädigungen gefordert.
Vor allem ist es aber die Tatsache, dass die Europaparlamentarier das Abkommen als illegal bezeichnen, weil sich das Fischereiabkommen auch auf die Gewässer vor der von Marokko besetzten Westsahara erstreckt hat. Die EU-Parlamentarier gaben ausdrücklich an, dass die Interessen der Saharauis in der Westsahara besser geschützt werden müssen. Die Westsahara war nach dem Abzug der spanischen Kolonialmacht 1975 zunächst zwischen Marokko und Mauretanien aufgeteilt. Nachdem die Saharauis schließlich die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) ausgerufen hatten und sich Mauretanien zurückzog, wurde die Westsahara fast vollständig von Marokko besetzt. Die DARS erstreckt sich nur über rund ein Drittel der Westsahara und dazu über vier Flüchtlingslager in der Nähe der algerischen Stadt Tindouf, wo fast 200.000 Menschen unter widrigsten Bedingungen auf die Rückkehr warten. Trotz allem wurde die Republik bisher von 82 Ländern anerkannt.
Nach einem dem bewaffneten Kampf der Befreiungsfront Polisario wurde unter Vermittlung der Vereinten Nationen 1991 ein Waffenstillstand vereinbart. Die Basis dafür war, dass die Saharauis in einem Referendum über ihre Unabhängigkeit entscheiden können, was seither von Marokko systematisch hintertrieben wird. Die Mission zur Überwachung des Referendums über die Unabhängigkeit" (Minurso) versagt seit zwei Jahrzehnten. Die einst festgelegte mehrjährige "Übergangszeit", in der festgelegt werden sollte, wer an der Abstimmung teilnehmen darf, ist längst verstrichen. Die Polisario debattiert seit geraumer Zeit deshalb, ob sie wieder zu den Waffen greifen soll.
Sie hat die Entscheidung der EU-Parlamentarier begrüßt. Ihr Botschafter in Algerien, Brahim Ghali, sprach von einem "Sieg der Saharauis im Kampf für die Selbstbestimmung und die Unabhängigkeit". Das Polisario-Führungsmitglied sprach von einer "gerechten, aufrechten und korrekten Entscheidung", die in Übereinstimmung zum internationalen Recht stehe. Die Polisario hatte das Abkommen lange kritisiert, weil die Saharauis nicht von der Ausbeutung ihre natürlichen Ressourcen profitierten.
Marokko beutet das an Rohstoffen reiche Gebiet aus und will auch über die dort vermuteten Ölvorkommen verfügen. Das Land hat mit der den USA und Frankreich auch schon Verträge über die Untersuchung und Verwertung der Ölvorkommen in dem umstrittenen Gebiet geschlossen. Die Fischereirechte sind also nur ein Beispiel und Marokko befürchtet, dass das Beispiel nun Schule machen könnte und auch die Menschenrechtsverletzungen in der Westsahara wieder stärker zur Sprache kommen.