Meeresspiegel: Die Ostsee läuft aus

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An der deutschen Ostseeküste gab es in der vergangenen Nacht eine kleine Sturmflut, aber im Osten sinkt der Meeresspiegel

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Weniger mit Klima aber dafür mit interessantem Wetter hat die Sturmflutwarnung zu tun, die es für die Nacht von Dienstag auf Mittwoch für die deutsche Ostseeküste gab. Das zuständige Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg hatte vor extremen Hochwasser gewarnt, was dort im Gegensatz zur Nordsee eher selten ist. Allerdings war der Verlauf meist glimpflich.

In Kiel maß der Pegel auf dem Höhepunkt des Hochwassers knapp 0,9 Meter über Normalnull (NN), in Neustadt (Holstein) an der Lübecker Bucht und in Greifswald einen Meter über NN. An der Ostsee wird nach Definition des BSH bei Pegelständen ab einem Meter bis 1,25 Meter von einer Sturmflut gesprochen. Als sehr schwere Sturmflut gelten bereits Ereignisse, bei denen die Pegel auf zwei Meter über NN klettern. Am Mittwochvormittag hatte das BSH seine Sturmflutwarnung schon wieder aufgehoben.

An der südlichen Ostsee kommt es unter anderem dann zu Hochwasser, wenn nördliche Winde zunächst das Wasser vom zwischen Dänemark und Schweden gelegenen Kattegat in die Ostsee drücken und dann der Wind nach Osten dreht und zusätzlich Wasser aus der Ostsee gegen die Küsten im Westen drückt. Das geschieht, wenn ein Tiefdruckgebiet über Norwegen und den Südwesten Schwedens nach Polen zieht.

Ein Zusammenhang mit dem Klimawandel gibt es bei Sturmfluten insofern, als dass das wärmere Klima zu einem Anstieg des Meeresspiegels führt. Derzeit steigt er im globalen Mittel um rund 30 Zentimeter pro Jahrhundert, wobei sich der Anstieg mit ziemlicher Sicherheit in den nächsten Jahrzehnten beschleunigen wird. Je höher der Meeresspiegel, desto gefährlicher werden Sturmfluten, und zwar insbesondere an flachen Küstenmeeren wie der Nordsee.

Die Ostsee weist jedoch eine Besonderheit auf. Ihr Boden hebt sich im Osten aus dem Untergrund, in den er einst durch bis zu vier Kilometer dicke Gletscher gedrückt wurde. Dadurch steigt das Land im Nordosten Schwedens um bis zu einem Meter pro Jahrhundert aus dem Meer, und die Ostsee wird sozusagen langsam ausgekippt. Je weiter man nach Westen kommt, desto geringer ist die Hebung. Die Nulllinie dieser Bewegung verläuft in etwa von Nordwest nach Südost durch die Kieler Bucht.

Am Rande dieser sogenannten postglazialen (nacheiszeitlichen) Hebung kommt es zum Ausgleich zum Absinken. Schleswig-Holstein und das dänische Festland – die kimbrische Halbinsel – kippen also ganz langsam nach Westen, weshalb sich die Nordseeküste absenkt und dort der (lokale) Meeresspiegel seit Jahrtausenden steigt.

Übrigens: Wenn im Zusammenhang mit der drohenden Klimakrise vom steigenden Meeresspiegel die Rede ist, ist immer das globale Mittel gemeint, das durch die Ausdehnung des sich erwärmenden Wassers und durch das Abschmelzen von Gletschern steigt.

Dieser Anstieg wird sich lokal ganz unterschiedlich bemerkbar machen. Landhebungen und Senkungen wie in Nordeuropa spielen dabei genauso eine Rolle, wie Veränderungen in den Meeresströmungen oder auch Verschiebungen in der Fliehkraft durch die Umverteilung der Masse, die mit dem Abtauen einher geht.

Im Zusammenhang mit den postglazialen Bewegungen bedeutet das, dass das Meer künftig an den deutschen Ostseeküsten vermutlich steigen, aber im Bottnischen Meeresbusen weiter sinken wird.