NSA soll die Präsidenten von Mexico und Brasilien ausspioniert haben
Sowohl die brasilianische als auch die mexikanische Regierung haben den jeweiligen Botschafter der Vereinigten Staaten zu Erklärungen einbestellt
Das mexikanische Außenministerium brachte gegenüber US-Botschafter Anthony Wayne "starkes Befremden" zum Ausdruck und forderte eine gründliche Untersuchung. Bereits zuvor hatte die Regierung in einer schriftlichen Stellungnahme die Ablehnung jeglicher Spionage gegenüber mexikanischen Staatsbürgern bekräftigt, sie verletze internationales Recht.
Ähnliche Vorhaltungen musste sich der US-amerikanische Botschafter in Brasilia, Thomas Shannon, anhören. Brasiliens Regierung drohte zudem damit, internationale Gremien wie die Vereinten Nationen anzurufen, um die mutmaßliche Verletzung von Rechten seiner Mandatsträger und Bürger zu diskutieren. Die Beziehungen der USA zu den beiden Verbündeten und wirtschaftlich stärksten Nationen Lateinamerikas sind damit weiter belastet.
Die Nachrichtensendung Fantastico des brasilianischen Fernsehsenders TV Globo hatte am Sonntagabend die mutmaßliche Spionage enthüllt und sich dabei auf Dokumenten des in Rio de Janeiro lebenden Journalisten Glenn Greenwald gestützt, die dieser vom früheren NSA-Mitarbeiter Edward Snowden erhalten hat. Snowden, der wegen Geheimnisverrat in den USA vor Gericht gestellt werden soll, nachdem er brisante Details von Überwachungsprogrammen des US-Geheimdienstes öffentlich gemacht hatte, war über Hongkong nach Russland geflüchtet, wo er mittlerweile vorübergehend politisches Asyl erhalten hat.
In der TV-Sendung wurde ein auf Juni 2012 datiertes NSA-Dokument mit Passagen von Textnachrichten des mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto gezeigt, in denen dieser – zu diesem Zeitpunkt noch Präsidentschaftskandidat – über Namen für die Besetzung von Ministerposten nach einem möglichen Wahlsieg nachdenkt. Ein anderes Dokument enthüllt die Kommunikation (Telefongespräche, Emails, SMS) zwischen Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff und engen Regierungsberatern, ohne allerdings Einzelheiten zu nennen. In einem dritten Dokument ist von einem NSA-Team zur Wirtschaftsspionage gegen verbündete Staaten, darunter eine Reihe europäischer Länder, aber auch Brasilien und Mexiko, die Rede. Bereits im Juli hatten The Guardian und O Globo enthüllt, dass die NSA mehrere Botschaften in Washington, darunter die Vertretung Mexikos, überwacht und ausspioniert habe.
Eine erste Reaktion Mexikos auf die neuerlichen Enthüllungen fiel verhalten aus. Auch kam sie erst mit einiger Verzögerung, da Präsident Peña Nieto am Montag seinen ersten Regierungsbericht vorstellte und alle Regierungsstellen mit den damit verbundenen Aktivitäten beschäftigt schienen. Wegen heftiger Proteste gegen die Bildungsreform und Demonstrationen gegen die geplante Energiereform hatte Peña Nieto seine Ansprache vom Sonntag auf Montag verschieben müssen. In seiner Rede ging er auf die Spionagevorwürfe nicht ein; vielmehr sprach er von einer "neuen Phase des Verstehens" zwischen beiden Ländern, basierend auf einer "neuen Multi-Themen-Agenda".
Brasilien rüstet gegen ausländische Lauscher auf
Die Reaktion Brasiliens dagegen erfolgte prompt und scharf. "Dies ist eine unzulässige und nicht hinnehmbare Verletzung des brasilianischen Souveränität", sagte Außenminister Luiz Alberto Figueiredo auf einer Pressekonferenz am Montag. "Die brasilianische Regierung will sofortige, formale Erklärungen in Bezug auf die in dem Bericht enthüllten Fakten." Justizminister Jose Eduardo Cardozo äußerte sich gegenüber der Tageszeitung O Globo, ähnlich. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff berief mehrere Kabinettsmitglieder zu einer Dringlichkeitssitzung ein. Laut der Tageszeitung Folha de S. Paulo gibt es sogar Erwägungen, den für Oktober geplanten Staatsbesuch Rousseffs in den USA ausfallen zu lassen. Eine Entscheidung hänge auch daran, wie zufriedenstellend die Erklärungen der USA ausfallen. Die Regierung kommentierte die Berichte nicht.
Brasilien ist laut vorheriger Enthüllungen das vom NSA am zweitstärksten überwachte Land. Im Juli enthüllte O Globo, dass der NSA seit mehreren Jahren mit mindestens drei Programmen den Email- und Telefonverkehr brasilianischer Bürger überwachte. Die brasilianische Regierung plant daher ein neues Internetgesetz, das ausländische Internetunternehmen zwingt, ihre Daten direkt in Brasilien anstatt im Ausland aufzubewahren, wie Kommunikationsminister Paulo Bernardo Silva in der Zeitung O Estado de São Paulo erklärte.
Im August wurde zudem bekannt gegeben, dass ein französisch-italienisches Gemeinschaftsunternehmen von der Regierung in Brasilia beauftragt wurde, einen eigenen Kommunikationssatelliten zu entwickeln, um sich auf diese Weise vor US-Spionage abzuschirmen. Die Behörden haben darüber hinaus die heimische Post angewiesen, ein eigenes Emailsystem zu entwickeln, um die Überwachung des Datenverkehr zu erschweren (dazu siehe auch: Brasilien plant spionagesicheren E-Mail-Dienst).