Nach der Zentralregierung wollen auch spanische Regionen die Defizitziele aufweichen
Nun droht auch die EU-Kommission mit Sanktionen, nachdem das Defizitziel einseitig aufgekündigt wurde
Die spanische Regierung versucht mühsam die Büchse der Pandora zu schließen, die Mariano Rajoy in Brüssel aufgemacht hat. Nach der Ankündigung des Ministerpräsidenten am vergangenen Samstag, die Brüsseler Sparvorgaben nicht einhalten zu wollen, fordern auch die Regionen eine Anpassung. Das lehnt die Zentralregierung strikt ab. Am Dienstag erklärte Antonio Beteta in Madrid: "Es wird keine Flexibilisierung geben." So versucht der Staatssekretär im Ministerium für öffentliche Verwaltungen die Regierung aus der schwierigen Lage zu heraus zu manövrieren, in die sie sich gebracht hat.
Auch Beteta hatte vor dem Brüsseler Gipfel noch argumentiert, die EU müsse die Defizitziele für Spanien aufweichen. Das Ziel, das Haushaltsdefizit 2012 auf 4,4% zu senken, sei zu Zeiten gesetzt worden, "als die Prognosen noch von einem Wachstum von 2,3% ausgingen". Deshalb "gebietet die Logik", das Ziel anzupassen, weil die spanische Wirtschaft 2012 schrumpfen soll. Während Brüssel von einem Minus von 1% ausgeht, rechnet die konservative Regierung mit einem Minus von 1,7% aus.
Rajoy war deshalb mit dem Ziel zum EU-Gipfel gereist, das Defizitziel aufzuweichen, was ihm aber nicht gelang. Er unterschrieb zwar den Fiskalpakt, mit dem sich die Mitgliedsstaaten zur Haushaltsdisziplin verpflichten, doch kurz darauf kündigte er an, Spanien werde sein Defizit im laufenden Jahr nur auf 5,8% senken. Es handele sich um eine "souveräne Entscheidung", die er mit niemandem abgestimmt habe.
Das war die Steilvorlage für spanische Regionen. Die wurden ermutigt, sich ebenfalls nicht an die Sparziele zu halten. Besonders preschen die beiden großen Regionen Katalonien und Andalusien gegenüber Madrid vor, die nicht von Rajoys Volkspartei (PP) regiert werden. Aber auch Asturien steht ihnen bei. Dort regiert der spanische Ex-Vizepräsident Francisco Álvarez-Cascos, der die PP verlassen und mit dem "Foro Asturias" eine eigene Partei gegründet hat. Dabei lagen diese Regionen 2011 mit ihrem Defizit nur im Mittelfeld. Andalusien mit 3,2, Asturien mit 3,6 und Katalonien mit 3,7 Prozent. Die von der PP regierten Regionen Kastilien-La Mancha (-7,3%), Extremadura (-4,6%), Murcia (-4,3%) aber auch Kantabrien und die Balearen lagen deutlich darüber.
Es waren vor allem die von der PP regierten Regionen, die besonders dafür gesorgt haben, dass die abgewählten Sozialisten (PSOE) das Staatsdefizit 2011 nicht wie versprochen senken konnte. Weil sich die Regionen nicht an die Sparziele hielten, lag das gesamte Defizit nicht bei sechs sondern eher bei 8,5 Prozent. Während Rajoy von den Regionen nun verlangt, ihr Defizit auf 1,5%der Wirtschaftsleistung zu drücken, wollen Katalonien, Andalusien und Asturien mindestens 1,7%durchsetzen.
Álvarez-Cascos wirft seinen früheren Parteifreunden vor, nicht glaubwürdig zu sein. "Von anderen das zu fordern, was man selbst nicht einhält, ist wenig beispielhaft", erklärte der Konservative. Ähnlich argumentiert auch der andalusische Sozialist Antonio Griñán, der sich ebenfalls am 25. März bei den Regionalwahlen im Präsidentenamt bestätigen lassen will. Griñán weist darauf hin, dass die Regionen vor allem tiefe Einschnitte im Bildung- und Gesundheitsbereich vornehmen müssten, um die Madrider Vorgaben zu erfüllen. Diese teuren Sektoren fallen unter die Kompetenzen der Regionen, die deutschen Bundesländern ähnlich sind. Es sei "ungerecht und gefährlich", die Sparvorgaben auf die Regionen abzuwälzen, obwohl der Zentralstaat für 60% der Staatsverschuldung verantwortlich sei, sagte Griñán mit Blick auf die Proteste in Valencia. Er sieht nun seine Chancen auf eine Wiederwahl steigen, obwohl alle Prognosen vorhersagen, dass die PP der PSOE auch diese letzte Hochburg abnehmen werde.
Brüssel ist genervt
Sichtlich genervt vom Kurs der Konservativen ist man auch Brüssel. Hatte sich die EU-Kommission nach der einseitigen Aufkündigung der Defizitvorgaben durch Rajoy zunächst bedeckt gehalten, wurde sie nun als "gravierenden Verstoß" gegen die Haushaltsregeln kritisiert. Der Sprecher von EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn, Amadeu Altafaj, schloss am Montag ein Sanktionsverfahren gegen Spanien nicht aus. Es droht ein Bußgeld von bis zu zwei Milliarden Euro.
Dass Spanien ständig neue Defizitzahlen liefere, sei nicht nachvollziehbar. Rehn habe Spanien bereits in der vergangenen Woche um Klarheit gebeten, erinnerte er. Weil noch kein Haushalt für 2012 vorliege, sei noch nicht einmal klar, wie hoch das Defizit 2011 real ausfiel. Man müsse aber analysieren, wie die "enormen" Abweichungen vom Defizitziel zustande gekommen seien, unterstrich er die Forderung, schnell für Klarheit zu sorgen. Doch auch darauf pfeift Rajoy, der vor den Wahlen in Andalusien in drei Wochen gegenüber den Wählern nicht offenlegen will, welche weiteren unpopulären Einschnitte er plant.