Nervös, aber brachial: Assads dritte Ansprache

Syriens Präsident Baschar al-Assad wandte sich gestern an die Nation und ließ keinen Zweifel offen: Es wird keine Reformen geben

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Dass er zwei Monate lang geschwiegen hatte, erklärte Assad in seiner Ansprache damit, dass er keine "Propaganda" kommentieren wolle - nur um dies im Anschluss doch zu tun: Alle über den herrschenden Clan im Umlauf befindlichen Gerüchte seien eben dies, Gerüchte. Damit spielte er wohl auf den angeblichen Bruderzwist an, der Maher Assad die Rolle des psychopathischen Hardliners, ihm hingegen die eines familiär gebeutelten, bloßen Aushängeschildes zuteilt. Wollte Assad diesen Eindruck widerlegen, hätte er jedoch besser weiter geschwiegen: Mal hüstelte Syriens Präsident, mal atmete er beschwerlich und mal versprach er sich. Fast so, als könne er seiner eigenen Logik nicht mehr folgen.

Leicht war dies in der Tat nicht.

So stellte er neuerlich fest, dass das Land von im Ausland angezettelten Komplotten heimgesucht werde, die "bakteriengleich" umherschwirren. Im Lande gäbe es "Vandalen" und "Zerstörer" - Überbleibsel aus Syriens "schwarzer Ära" zu Beginn der Achtziger, in der sein Vater die Muslimbrüder blutigst bekämpfte. Hinzukämen "radikale und blasphemische Intellektuelle", von Medien bezahlte Augenzeugen, Extremisten mit modernen Waffen und Satellitentelefonen. Als sei dies noch nicht genug der "Bakterien", seien 64.000 Kriminelle im Land auf freiem Fuß – "eine ganze Armee". Unter dem Druck von so viel "Sabotage und Chaos" seien politische Reformen nicht durchzusetzen.

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Präsident Assad bezeichnet die Proteste als Sabotage und Vandalismus. Bild: Sana

Andererseits und wiederum gäbe es auch legitime Forderungen. Auf diese wolle er eingehen, etwa in Form eines nationalen Dialoges. Er könne hierfür keine Fristen nennen, aber er werde "demnächst" ins Leben gerufen. Auch gäbe es viel "zu untersuchen". Etwa wie die Korruption zu bekämpfen sei, oder welche Möglichkeiten "zur breiteren Partizipation verschiedener Parteien" bestünden. Die Bürger könnten einen neuen Volksrat wählen, voraussichtlich im August. Was dies mit politischer Partizipation zu tun hat, blieb offen: Syriens Volksrat war seit jeher Makulatur und wird dies auch bleiben, solange nicht die Verfassung und vor allem deren Paragraph 8 abgeändert wird, der die alleinige Macht Assads Partei zugesteht. Eben dies aber könne nicht angegangen werden – zumindest nicht schnell, da die Prüfung einer Verfassungsänderung Zeit bis Jahresende benötige.

Weniger Zeit dürfe man sich aber mit der niedergehenden Wirtschaft lassen – so sei es eine "nationale Pflicht" jedes Bürgers, der über etwas Geld verfüge, finanziell zum Erhalt des syrischen Pfundes beizusteuern. Auch die über 10.000 in die Türkei Geflüchteten rief er zur Rückkehr auf, da sonst ihre Dörfer wirtschaftlich aussterben würden.

Wutentbrannte Reaktion der Aufständischen

Ein Twitterer kommentierte, es sei dem Präsidenten wohl entgangen, dass die Menschen geflüchtet waren, um nicht selbst auszusterben. Ein anderer schrieb:

"Over 1,400 Syrians were killed by security forces & Bashar's reaction is to form three month long committees to study forming committees."

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Nach Assads Rede kam es wie hier in Binnish zu neuen Demonstrationen. Screenshot

Assad, den zweifelsohne die russische Rückendeckung im UN-Sicherheitsrat beruhigt, zumal er weiß, dass letzterer ohnehin keine Neuauflage des Libyen-Szenarios plant, hielt eine verquaste, wenig staatsmännische Rede. Dennoch ließ er keinen Zweifel offen: die blutige Niederschlagung der Revolution geht weiter, auf ernsthafte Reformen braucht niemand zu hoffen. Indem er das Freiheitsbegehren der Bürger dergestalt verhöhnt, dürften Syriens Aufständische nun entschlossener denn je vorgehen. Der Aufruf "Liberty or Death" war bereits kurz nach Ende der Ansprache im Netz, zahlreiche Demonstranten gingen landesweit auf die Straßen.