Nordkirche will bis zu 484 Millionen von Schleswig-Holstein als einmalige Ablöse
Wie die Protestanten im Norden den Staat als Dukatenesel sehen
Die Affäre um den katholischen Limburger Ordinarius Tebartz-van Elst trägt zweifellos auch gute Früchte – sie hat die Debatte über die Staatsfinanzierung der Kirchen weiter beflügelt. Wie überfällig diese Diskussion ist, beweist derzeit zur Abwechslung mal die fromme Konkurrenz: Die gut gestellten Protestanten im ansonsten eher armen Schleswig-Holstein kommen gerade mit ziemlich drastischen Geldforderungen daher. Worum geht es? Es geht um einen Ersatz der jährlichen staatlichen Apanage von 12,1 Millionen Euro; an deren Stelle soll eine einmalige Ablöse treten. Und die fiele happig aus: Bis zu 484 Millionen Euro will die Nordkirche vom Land.
Bundesweit erhalten die evangelischen Landeskirchen 240 Millionen Euro. Üblicherweise begründet wird der Anspruch mit historischen Begebnissen, so zum Beispiel Enteignungen in Zeiten der Reformation (1517 bis 1648), zu Zeiten Napoleons (1769 bis 1821) und des Kaiserreichs (1871 bis 1918). Belege für kirchliche Ansprüche aus Konfiskation, entgangener staatlicher Besoldung und zugesagter Leistungen von Grundeigentümern schlummern freilich weitgehend in Archiven. Die evangelisch-lutherische Nordkirche sieht das offenbar nicht als das eigentliche Problem. Für sie steht Schleswig-Holstein ganz einfach rechtlich in der Pflicht.
Die Geldleistungen fließen seit annähernd zwei Jahrhunderten. Im Fall der Nordkirche von Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern ergeben sich momentan jährliche Staatsleistungen von zusammen rund 26 Millionen Euro. Geregelt sind die Zahlungen in Staatskirchenverträgen; von Hamburg erhält die Nordkirche keine Leistungen, die Verpflichtungen des Staates wurden in dem Fall bereits ausgeglichen. Der Präsident des evangelisch-lutherischen Kirchenamtes in Kiel, Prof. Peter Unruh, weiß nun einen Weg, wie die Staatsleistungen überhaupt abgelöst werden könnten.
Unruh nennt als Voraussetzung ein im Grundgesetz festgehaltenes Verfahren; demzufolge müsse der Bund zuerst ein entsprechendes Grundsatzgesetz schaffen, danach wären die Bundesländer mit eigenen Gesetzen am Zug. In Schleswig-Holstein wird seit 2010 über eine "Modernisierung" des Staatskirchenvertrages von 1957 verhandelt.
Die Nordkirche, die fast schuldenfrei dasteht und über ein sattes Polster an Rücklagen von 90 Millionen Euro verfügt, halt es dann für denkbar, dass Schleswig-Holstein sich mit dem 20- bis 40fachen des Jahresbetrags "freikaufen" könnte, das heißt mit 242 bis 484 Millionen Euro auf einen Schlag.
Ende Oktober schaltete sich Wolfgang Kubicki, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag und Mitglied des Bundespräsidiums der FDP, in die Diskussion ein. Kubicki hatte im Nachrichtenmagazin "Focus" die Idee einer Kommission beim Bundesfinanzminister ins Spiel gebracht, die den Wert des verstaatlichten Kirchenbesitzes und die Summe bisher geflossener Entschädigungen ermitteln solle. "Dabei könnte sich herausstellen, dass schon alles abgegolten ist", so Kubicki.
Derweil kann sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) über satte Steuereinnahmen freuen. Bei ihrer Synodentagung in Düsseldorf am Montag wurde der Haushalt 2014 beraten; mit rund 4,7 Milliarden Euro sei im vergangenen Jahr das bislang höchste Kirchensteueraufkommen erreicht worden, lobte Ratsmitglied Klaus Winterhoff die unbeirrte Zahlungsmoral der Protestanten. Auch im laufenden Jahr seit mit einer Steigerung bei den Kirchensteuereinnahmen der 20 Landeskirchen zu rechnen.
Mittlerweile kündigte die FDP-Fraktion im Kieler Landtag ihre Unterstützung des Kubicki-Vorschlags an. Er soll im kommenden Plenum (15. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtags, 20. bis 22. November 2013) beraten werden.