Ohne Reiche ginge es dem Klima besser
Neue Studie zeigt, dass vor allem die oberen zehn Prozent der Bevölkerung die großen Umweltsünder sind
Die EU will mehr Klimaschutz betreiben. Zumindest ein bisschen mehr. Aber was heißt das? Müssen wir jetzt alle den Gürtel enger schallen? Der Hartz-IV-Bezieher und der Privat-Jet-Flieger? Das Gerede vom CO2-Fußabdruck, Fleischverzicht und Ähnlichem legt das nahe.
Doch es mehren sich immerhin auch die Stimmen unter Wissenschaftlern und in der Fridays-for-Future-Bewegung, die das etwas anders sehen und darauf hinweisen, dass dieser Diskurs den Energiekonzernen und anderen emissionsintensiven Branchen gerade recht kommt. Ihr gewichtiger Beitrag zum Problem gerate damit aus dem Fokus.
Wenn schon über die individuelle Verantwortung gesprochen wird, lohnt sich ein etwas differenzierterer Blick. Eine neue Studie der internationalen Hilfsorganisation Oxfam hat sich genau das zum Ziel gesetzt und die sogenannten Konsum-Emissionen unter die Lupe genommen. Das sind jene Emissionen, die sich dem privaten Verbrauch zuordnen lassen, das heißt, auch die mit importierten Waren verbundenen abzüglich der mit dem Export verbundenen Emissionen.
Sieben Prozent der Weltbevölkerung lebt in den Mitgliedsstaaten der EU, aber zugleich sind diese für 15 Prozent der jährlichen Konsum-Emissionen verantwortlich. Diese verteilen sich allerdings nicht gleichmäßig auf alle EU-Bürger. Diverse Studien haben in der Vergangenheit bereits den – naheliegenden – Zusammenhang zwischen Einkommen und Konsumverhalten nachgewiesen und quantifiziert.
Auf diese Gegenrechnung aufbauend kommt die Oxfam-Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die reichsten zehn Prozent der EU-Bürger im Durchschnitt der Jahre 1990 bis 2015 für ein gutes Viertel der hiesigen Emissionen verantwortlich waren. Für die gleiche Emissionsmengen zeichneten auch die ärmeren 50 Prozent der Bevölkerung verantwortlich, die selten oder nie fliegen, eher keine oder kleine und daher sparsamere Autos besitzen und diese gegebenenfalls länger nutzen.
Aber es kommt noch schlimmer. Ein bisschen Klimaschutz hat es in den EU-Länder ja gegeben. Von 1990 bis 2018 sind die Emissionen immerhin um ein knappes Fünftel reduziert worden.
Doch zu diese Reduktion hat das reichste zehn Prozent der Bevölkerung nichts beigetragen. So wie in den letzten 30 Jahren gesellschaftlicher Reichtum von unten nach oben umverteilt wurde, so haben auch die Konsum-Emissionen am oberen Ende der gesellschaftlichen Stufenleiter weiter zugenommen.
Während die untere Hälfte der Bevölkerung ihre Emissionen um 24 Prozent reduziert hat, die mittleren 40 Prozent immer noch um 13 Prozent, haben sich Emissionen der oberen zehn Prozent zwischen 1990 und 2015 sogar noch um drei Prozent zugenommen.
Je reicher, desto schlimmer
Noch eklatanter ist das Missverhältnis, wenn ein Blick auf die Pro-Kopf-Emissionen geworfen wird, wie es die Autorinnen und Autoren der Oxfamstudie unternommen haben. Dann kommt heraus, dass die Zunahme der Emissionen ausschließlich auf das Konto der Superreichen geht.
Bei den oberen ein Prozent der Bevölkerung haben die Pro-Kopf-Emissionen binnen 25 Jahren um sieben Prozent zugenommen. In den anderen Bevölkerungsgruppen gab es hingegen eine Abnahme, und zwar um so mehr, je geringer das Einkommen. In der unteren Bevölkerungshälfte waren die Pro-Kopf-Emissionen 2015 um 32 Prozent niedriger als 25 Jahre zuvor.
Interessant ist schließlich auch der Ländervergleich. In einigen Ländern wie Kroation, Rumänien, Griechenland oder Portugal ist das Pro-Kopf-Emissionsniveau der unteren Bevölkerungshälfte schon jetzt auf dem Level, wie es für das Erreichen des Pariser 1,5-Grad-Ziels EU-weit notwendig ist.
Ansonsten bleibt festzustellen, dass Deutschland innerhalb der EU nicht nur das Land mit meisten Treibhausgas-Emissionen sondern auch jenes mit den meisten Reichen ist. 29 Prozent aller Konsum-Emissionen der EU-Bevölkerung entfielen 2015 das obere Zehntel. Davon wiederum ging ein knappes Drittel auf das Konto der reichsten Deutschen.
Oder in anderen Worten: Die deutschen Geldeliten machen zwar nur etwa 1,9 Prozent der EU-Bevölkerung aus, sind mit ihrem Lebenswandel aber für rund 9,5 Prozent der Emissionen in der Gemeinschaft verantwortlich.