Podemos-Basis sagt Nein

Fast 90% der Sympathisanten lehnten die Unterstützung für ein Bündnis aus Rechtsliberalen und Sozialisten ab

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Nur noch ein Wunder kann Neuwahlen am 26. Juni in Spanien jetzt noch verhindern. Mitglieder und Sympathisanten der linken Podemos (Wir können es) haben sich mit 90% in einer verbindlichen Abstimmung klar hinter die Parteiführung gestellt. 150.000 Menschen nahmen teil, gab der Organisationssekretär Pablo Echenique am Montagmittag die Ergebnisse bekannt. Von offiziell registrierten 400.000 Sympathisanten durften 207.000 "aktive" Teilnehmer abstimmen, die sich in den letzten 12 Monaten an Aktivitäten auf der Podemos-Webseite beteiligt hatten.

Echenique sprach von einer "historischen" Abstimmung, da sogar etwa 40.000 Menschen mehr teilgenommen haben, als bei der Wahl von Pablo Iglesias zum Parteichef. Als die Sozialisten (PSOE) ihre Mitglieder kürzlich ohnehin nur unverbindlich über ihren Regierungspakt mit den neoliberalen Rechten der Ciudadanos (Bürger) abstimmen ließen, nahmen 50.000 weniger teil. Dabei hat die PSOE mehr Mitglieder als Podemos aktive Sympathisanten. Das zeigte schon an, dass auch viele Sozialisten Probleme mit dem Bündnis haben, da darüber viele Wahlversprechen gebrochen werden.

Nun stimmten aber mehr als 88% der Podemos-Basis dagegen, den Pakt und der daraus resultierenden Koalition durch eine Enthaltung doch noch an die Macht zu bringen, um sie der rechtskonservativen Volkspartei (PP) zu nehmen. Die Podemos-Parlamentarier hatten schon in einer ersten Abstimmung im März mit Nein gestimmt, womit sich der Sozialistenchef Pedro Sánchez eine blutige Nase geholt hatte. Allerdings beließ es Podemos nicht allein bei der Ablehnung. Sie befragten ihre Basis auch, ob sie für eine Linkskoalition sind, wie die, die seit fast einem Jahr die Region Valencia regiert. Mehr als 91% sprachen sich dafür aus, mit der PSOE das Land zu regieren.

Dies lehnt Sozialistenchef Sánchez aber ab, weil dafür die Unterstützung baskischer und katalanischer Parteien benötigt wird. Wie Podemos fordern sie, wie Schottland über die Unabhängigkeit abstimmen zu dürfen. Sánchez traut sich nicht, sich mit der alten nationalistischen Garde in seiner Partei anzulegen, dabei ist inzwischen sogar die große Gewerkschaft UGT auf diesen Kurs eingeschwenkt, die eng mit der PSOE verbunden ist. Sie ist mehrheitlich ebenfalls gegen den Pakt mit Ciudadanos.

Die Podemos-Basis strafte merkwürdige Interpretationsversuche von Sozialisten ab. Der PSOE-Sprecher Óscar López hatte noch am Sonntag steif und fest behauptet: "Niemand hat Podemos gewählt, damit Rajoy weiterregieren kann", sagte er mit Blick auf den geschäftsführenden Regierungschef. Er forderte, die "Blockade aufzuheben", damit es eine "Regierung des Wandels" gibt. Die Podemos-Abstimmung hat aber gezeigt, dass die Basis nicht nur Rajoy absägen will, sondern den gesamten Austeritätskurs der PP.

Im Wahlkampf hatte auch die PSOE die Ciudadanos als wirtschaftsliberale Rechte gebrandmarkt. In ihrem Pakt mit der PSOE haben die aber nach Angaben ihres Parteichefs Albert Rivera 80% ihres Programms durchgebracht. Ohnehin zielen sie offen auf die Einbindung der PP in eine großen Koalition ab. Die ist aber ausgeschlossen, solange Rajoy nicht abtritt. Weil gerade der Industrieminister über die Panama Papers zurücktreten musste, wird es noch unwahrscheinlicher, dass es in letzter Minute noch eine Annäherung der PSOE an die von immer neuen Skandalen gebeutelte PP geben kann.

Podemos bot der PSOE erneut die Linksregierung an. Echenique, Nummer drei in der Führung, ist angesichts des bisherigen Verhaltens der PSOE "skeptisch", hält aber die Hand ausgestreckt: "Wir sind bereit, mit ihr eine Regierung des Wandels auszuhandeln." Er hofft, dass sie PSOE ihren Kurs noch vor dem 2. Mai korrigiert und verwies darauf, dass Podemos in 20 Punkten schon Zugeständnisse gemacht habe. Steht bis Anfang Mai keine Regierung, gibt es Neuwahlen am 26. Juni.

Mit Blick auf die Abstimmung zeigte sich Echenique gegenüber Telepolis "geehrt, einer Organisation anzugehören, die hält, was sie verspricht und die sich auf die Reife der Bevölkerung verlässt". Er spricht sich dafür aus, im Falle von Neuwahlen mit der Vereinten Linken (IU) anzutreten. Arrogant hatte der Parteichef Iglesias dies vor den Wahlen im vergangenen Dezember abgelehnt, wodurch die Rechten eine Chance erhielten, wieder an die Macht zu kommen.

Wären Podemos und IU schon im Dezember gemeinsam angetreten, sähe die Lage heute ganz anders aus. Die Koalition hätte fast eine Million Stimmen mehr als die PSOE erzielt. Sie hätte deutlich mehr als 67 Sitze erhalten, auf die IU und Podemos jetzt gemeinsam kommen. Die PSOE, die nur knapp vor Podemos lag, erhielt wegen des absurden Wahlgesetzes 89 Sitze, das kleine Formationen stark benachteiligt.