Polen verabschiedet ein neues Drogengesetz
Mit einem neuen Gesetz will das osteuropäische EU-Land Betäubungsmittelkonsumenten zum Entzug ermutigen und dafür Dealer härter bestrafen
Am Freitag verabschiedete das polnische Parlament ein neues Drogengesetz, mit dem der Besitz "unbedeutender Mengen", egal ob es sich um Marihuana oder Heroin handelt, bei Eigenbedarf nicht eine sofortige Strafverfolgung zur Folge hat.
"Dieser Beschluss ist eine Gefahr für unsere Kinder", schimpfte die Abgeordnete der nationalkonservativen Recht und Gerechtigkeit (PiS) Beata Kempa während der Parlamentsdebatte und warf dem Justizminister Krzysztof Kwiatkowski gleichzeitig vor, mit diesem Gesetz kriminelle Organisationen zu unterstützen. "Herr Minister, eine wichtige Fragen der Polen haben sie nicht beantwortet: Welcher Mafia haben sie heute ihr Geschäft erleichtert?"
Doch so sehr die Aufregung der PiS auch laut ist, von einer Liberalisierung des Drogengesetzes oder gar einer Legalisierung von Drogen jeglicher Art ist Polen weit entfernt. "Ich habe den Eindruck, dass jene Abgeordneten, die das Gesetz kritisieren, es gar nicht gelesen haben. Denn der Besitz selbst kleiner Mengen an Drogen bleibt weiterhin strafbar", sagte Justizminister Kwiatkowski während der Parlamentsdebatte.
Aber gerade in dieser Erklärung offenbart sich auch der große Schwachpunkt des neuen Drogengesetzes. Denn es liegt allein im Ermessen der Polizei und der Staatsanwaltschaft, oder wie sich Kwiatkowski ausdrückte, in deren "Analyse", ob jemand als einfacher Konsument oder Dealer eingestuft wird. Denn was eine "unbedeutende Menge an Drogen" ist, wie es im neuen Gesetz heißt, hat die Politik nicht bestimmt. Was zur Folge hat, dass ein Staatsanwalt schon ein Gramm Marihuana angemessen für eine Strafverfolgung halten kann, während ein anderer erst ab fünf Gramm Crack die Mühlen der Justiz in Gang bringen kann.
Doch während die Politik nicht dazu fähig war, die "unbedeutende Mengen" an Drogen genau zu definieren, konnte sie sich auf die juristischen Konsequenzen für Drogenbesitz einigen. Während Drogendealern bisher mit bis zu 10 Jahren Haft bestraft wurden, drohen ihnen zukünftig bis zu 12 Jahre Gefängnis. Auch für den "bloßen Besitz nicht unerheblicher Mengen an Drogen" wurde die Haftstrafe von 8 auf 10 Jahre erhöht. Diese kann jedoch vermieden werden, falls sich der Konsument zu einer Therapie bereit erklärt. Doch auch hier offenbart sich eine Schwäche des Gesetzes, das die Konsumenten nach Meinung der Befürworter zu einem Entzug ermutigen soll. Denn ob die Strafverfolgung bei einer Therapie fallengelassen wird, liegt ebenfalls allein im Ermessen des Staatsanwalts.
Dennoch feiert die Regierung von Donald Tusk das neue Gesetz als einen weiteren Erfolg in ihrem Kampf gegen die Drogen, den sie sich seit Herbst vergangenen Jahres auf ihre Fahnen geschrieben hat. Damals verbot sie im Eiltempo den Verkauf der so genannten "Dopalacze", nachdem einige Jugendliche nach dem Konsum der künstlichen Designerdrogen ums Leben kamen und die Presse darüber ausführlich berichtete. Doch den Konsum dieser Drogen konnte die Regierung trotz des Verbots und einer Aufklärungskampagne bisher nicht stoppen. Wie eine aktuelle Umfrage aus der Woiwodschaft Heiligkreuz zeigt, haben 8 Prozent der Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 18 Jahren die Designerdrogen bereits konsumiert. 37 Prozent der Jugendlichen wissen jedoch, wo sie trotz des Verbots die "Dopalacze" bekommen können.
Und ob das neue Drogengesetz den Handel mit herkömmlichen Drogen eindämmen wird, wie es sich die neue Regierung erhofft, bezweifelt vor allem die Polizei. "Ich habe noch nie einen Dealer getroffen, der zugegeben hat, dass die Drogen, die er bei sich hat, für den Verkauf bestimmt sind. Jeder sagt, dass sie dem Eigenbedarf dienen", sagte ein nicht namentlich genannter Polizist aus Warschau der Tagezeitung Rzeczpospolita.
Deswegen bleibt zu erwarten, dass weiterhin vor allem die Konsumenten, auch die der weichen Drogen, zukünftig mit strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen haben werden, wenn es der Staatsanwalt für richtig halten wird. Nach Angaben der polnischen Polizei hält sie jährlich rund 50.000 Personen wegen Besitzes kleiner Mengen Drogen an. Laut einer Reportage der Gazeta Wyborcza sitzen in den polnischen Gefängnissen momentan 684 Personen wegen des Besitzes kleiner Menge Marihuana ein. Darunter auch solche, die die Droge zum ersten Mal konsumiert haben.