Portugal Europameister: David gewinnt gegen Goliath
Für das kleine Krisenland ist der EM-Sieg psychologisch auch für den Weg aus der Austeritätspolitik bedeutsam
Besonders schön haben die Portugiesen am späten Sonntag in Paris nicht gespielt. Aber sie waren effizient und deshalb hat das kleine Land in der Verlängerung das große Frankreich besiegt und erstmals die Europameisterschaft gewonnen. Der Sieg gegen den klaren Favoriten wurde zudem ohne den Superstar Ronaldo eingefahren, der frühzeitig wegen Verletzung aus dem Spiel genommen werden musste. Eine Mannschaft hat gesiegt - und sie hat gezeigt, dass sie nicht auf Gedeih und Verderb von einem Sternchen abhängt.
Das Land kann diesen Motivationsschub und die gute Feierstimmung gebrauchen, um den "Fado" zu vertreiben. Für die Linksregierung hätte es nicht besser kommen können, die in ihrem Kampf neue Kraft schöpft. Denn wie David gegen Goliath stemmt sie sich vor allem gegen deutsche Politiker, die es, wie der Finanzminister Wolfgang Schäuble, wieder unter dem Rettungsschirm treiben wollen. "Sie werden ein neues Programm beantragen müssen, und sie werden es bekommen", erklärte Schäuble kürzlich. Er sorgte damit für massiven Unmut in dem kleinen Land mit seinen bescheidenen aber stolzen Bewohnern. Von deutschen Konservativen wird regelrecht eine Kampagne gegen Portugal geführt. So verstieg sich der deutsche Chef des Rettungsschirms (ESM) sogar zu der Aussage: "Das einzige Land, das mir Sorge macht, ist Portugal."
Solche Aussagen von Klaus Regling sind – gelinde gesagt - absurd. Schließlich ist Griechenland noch immer unter dem Rettungsschirm und erhält weiter Finanzhilfen, die Wirtschaft kommt nicht auf die Beine und auch in Spanien ist das Haushaltsdefizit deutlich höher als das beim kleinen Nachbarn. Zudem ist die Arbeitslosenquote im großen Spanien mit fast 20% noch immer fast doppelt so hoch wie die in Portugal, und Spanien hat seit mehr als einem halben Jahr nicht mal eine Regierung. Doch Regling und Schäuble machen sich Sorgen über das kleine relativ stabile Portugal.
Dass die Linksregierung mit der Abkehr von der Austeritätspolitik aber die Arbeitslosigkeit abbauen, für Verbesserungen in der breiten Bevölkerung sorgen und damit über das Ankurbeln der Binnenkonjunktur auch die Defizitziele einhalten will, das passt Schäuble, Regling und Co. offenbar nicht. Sie wollen weiter an einer Politik festhalten, die schon seit Jahren eben zu keinen positiven Ergebnissen führt.
Die portugiesische Mannschaft hat mit einem unkonventionellen Spiel zum Sieg gegen das große Frankreich gefunden. Sie hat die vorhandenen Mittel und Kräfte effizient eingesetzt und im entscheidenden Moment das wichtige Tor geschossen. Ähnlich versucht derzeit die portugiesische Regierung vorzugehen. Anders als Griechenland hat sie auf den bedächtigen Ausstieg aus der Austerität und leise Schritte gesetzt, statt eine frontale Konfrontation gegen einen schier übermächtigen Gegner zu versuchen. Deshalb konnte sie bisher nicht wie Tsipras und Syriza auf die Knie gezwungen werden, die nun eine Politik exekutieren, die sie einst vehement bekämpfen wollten.
Geschickt versucht António Costa in Brüssel, Sanktionen gegen Portugal abzuwenden. Der Regierungschef feiert es schon als wichtigen ersten Etappensieg, dass bisher noch keine Sanktionen beschlossen wurden, weil Portugal das Stabilitätsziel im vergangenen Jahr nicht erreicht hat. "Die Regierung wird bis zur letzten Minute mit aller Energie dafür kämpfen, damit Portugal nicht belangt wird für das Ergebnis der Vorgängerregierung 2015", sagte Costa.
Denn es haben die Konservativen zu verantworten, dass die Linksregierung das Stabilitätsziel nicht einhalten konnte. Die Vorgänger hatten die Sanierung der Banken unter Troika-Aufsicht einfach immer aufgeschoben und so neuen Regierung diverse faule Eier hinterlassen. Costa irrt aber in einem Punkt. Bisher wurde nur keine Strafe gegen Portugal verhängt, weil man es kaum rechtfertigen könnte, Spanien nicht zu bestrafen. Denn ohne Bankenrettung hätte dieses Krisenland ein noch höheres Defizit. Doch es ist Costas Erfolg, dass ihm in Brüssel gelang, die Verkettung herzustellen. Erstaunlicherweise sprechen Schäuble und andere immer nur von Portugal und schweigen gern zu Spanien.
Ausgeschlossen ist nicht, dass auf dem Treffen der Finanzminister in Brüssel auch am Dienstag keine Entscheidung fällt. Kommt sie, müsste die EU-Kommission dann innerhalb von 20 Tagen Sanktionen vorschlagen. Die müssten aber wieder vom Ecofin verabschiedet werden. So ist praktisch schon gesichert, dass vor Herbst keine definitive Entscheidung fällt, um die Chancen von Rajoy nicht zu erschweren. Und ohnehin sprach Währungskommissar Pierre Moscovici längst davon, dass es die "komplizierten, aber intelligenten" Regeln zulassen, Geldbußen zu "reduzieren oder ganz zu erlassen".
Schon vor dem Sieg gegen seine Mannschaft ist wohl dem Franzosen klar, dass eine Strafe wohl kontraproduktiv wäre. Klar müsste mittlerweile in Brüssel sein, was die portugiesischen Kicker ebenfalls am Sonntag gezeigt haben. Portugal ist stets für Überraschungen gut. Und nach dem Brexit drohen die linksradikalen Unterstützer von Costas Sozialisten schon mit einem Referendum, um sich "von der Unterwerfung unter den Euro zu befreien".