Portugal bereitet sich auf EU-Rettung vor
Der portugiesische Finanzminister erklärte in Brüssel, die politische Krise treibe das Land dazu, ausländische Hilfe zu beantragen
Dass Portugal kaum mehr am europäischen Rettungsschirm vorbeikommen würde, zeichnete sich seit Monaten ab. Die Zinsen für Staatsanleihen werden seit gut einem Jahr systematisch nach oben getrieben.
Meist wird in Unkenntnis die angeblich "hohe Verschuldung" des Landes angeführt. Dabei liegt Portugals Staatsverschuldung unter dem Durchschnitt in der Eurozone und sogar unter der Frankreichs.
Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos hat am Montag in Brüssel deutlich in den Raum gestellt, dass das Land alsbald Finanzhilfe beantragen müsse. Dafür machte er die sich anbahnende politische Krise im Land verantwortlich. Die könne Portugal "einen kräftigen Stoss" verpassen, "der das Land in die Arme der ausländischen Hilfe treiben kann". Diese Krise würde es für das Land in diesem Augenblick erschweren, sich Geld an den Finanzmärkten zu besorgen, und stelle ein Risiko für die Finanzierung dar, sagte Teixeira.
Er sprach darin die Weigerung der sozialdemokratischen Partei (PSD) an, die eigentlich eine christdemokratische Partei ist, dem vierten Sparpaket der Minderheitsregierung in einem Jahr erneut durch Enthaltung durchs Parlament zu bringen. Immer deutlicher hatte sich der Unmut in der PSD in den letzten Wochen herausgebildet, die bei baldigen Neuwahlen eine absolute Mehrheit gewinnen könnte. Der Ex-Parteichef hatte Anfang März schon erklärt, dass "ein Antrag auf finanzielle Hilfe innerhalb der nächsten drei bis vier Wochen unvermeidlich zu sein scheint". Zuvor hatte auch schon Teixeiras Staatssekretär erklärt, dass die hohen Zinsen, die das Land bezahlen muss, längerfristig nicht auszuhalten seien.
Die Zinsen hatten in der vergangenen Woche einen neuen Rekordstand erreicht. Nach der erneuten Abstufung der Kreditwürdigkeit durch die Ratingagentur Moody's, welche die Bonitätsnote des Landes gleich um zwei Stufen von "A1" auf "A3" senkte, zogen die Zinsen für Staatsanleihen des Landes weiter an. Zwar konnte sich Portugal noch einmal eine Milliarde Euro an den Finanzmärkten besorgen, doch mit einem Zinssatz von 4,33%, bei einer Laufzeit von 12 Monaten musste ein sehr hoher Preis bezahlt werden. Vor zwei Wochen waren es noch hohe 4,06%. Zwar klingt auch das undramatisch, wenn man den Satz mit Überziehungszinsen auf Girokonten vergleich. Aber die Entwicklung über die letzten 15 Monate macht die Dramatik deutlich. Im September 2010 mussten Portugal noch etwa 2% bieten. Bevor die Stimmungsmache gegen Portugal begann und Moody's ihm mit Griechenland einem "langsamen Tod" prophezeite, zahlte das Land nicht einmal 1%.
Die hohen Zinsen, die immer mehr Geld aus dem Haushalt in den Schuldendienst fließen lassen, anstatt es für Investitionen, Bildung oder Sozialleistungen auszugeben, sind der reale Grund dafür, dass nun offensichtlich die Vorbereitungen getroffen werden, um Portugal über den Rettungsschirm aufzufangen. Die Regierung des sozialistischen Ministerpräsidenten José Sócrates befindet sich offenbar schon im Wahlkampf. Seit Tagen droht Socrates offen seine Rücktritt und Neuwahlen an, wenn die PSD, voraussichtlich am Mittwoch, im Parlament das Sparpaket scheitern lässt. Er will der großen Oppositionspartei damit schon jetzt die Schuld für den Gang unter Rettungsschirm zuschieben. Der PSD-Chef, Pedro Passos Coelho, dem Socrates die Sparpläne am Montag erläutert hat, bekräftigte nach dem Gespräch erneut, seine Partei werde die geplanten Einschnitte nicht mittragen, auch wenn sie die mit der Europäischen Union ausgehandelten Sparziele unterstütze.
So wird am Donnerstag wohl ein gestürzter Socrates zum EU-Gipfel abreisen und kann dort mit den Kollegen versuchen, günstigere Bedingungen für die Rettung auszuhandeln, als sie Griechenland und noch schlimmer Irland aufgezwungen wurden. Mit Unterstützung des PSD-Parteigängers und EU-Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso könnte dies auch unter dem Eindruck möglich werden, dass sich die Euro-Krise vor allem wegen dem Bremskurs der Bundeskanzlerin Merkel als Schwelbrand von Land zu Land weiter frisst. Nach dem Fall Portugals steht dann der Angriff auf den großen Nachbarn Spanien aus. Anders als Portugal schlägt sich das viergrößte Euroland tatsächlich mit schier unlösbaren Problemen herum.
Dass die Banken dort angesichts der extrem hohen Arbeitslosigkeit immer stärker in Bedrängnis kommen, zeigen neue Zahlen der Zentralbank. Insgesamt ist die Quote der Kreditausfälle auf über 6% gestiegen. Das waren im Januar gleich 0,4 Prozentpunkte mehr als noch im Dezember. Die Banken setzen sich immer deutlicher negativ von den angeschlagenen Sparkassen ab, über deren Sanierung allseits schon gesprochen wird. So ist nun die Ausfallrate bei spanischen Banken auf fast 6,23% hochgeschnellt. Die Sparkassen liegen ihrerseits bei knapp 5,9%.
Warum die PSD nun der sozialistischen Minderheitsreagierung die Unterstützung entzieht, die sie noch Mitte März gegen einen Misstrauensantrag einer kleineren Oppositionspartei in Schutz nahm, ist ebenfalls leicht erklärt. In Portugal formiert sich immer deutlicher Widerstand gegen den unausgewogenen Sparkurs, den die Sozialisten im Kniefall vor den Ratingagenturen eingeschlagen haben. Das neueste Sparpaket, mit dem das Haushaltsdefizit 2011 auf 4,6 % gedrückt werden soll, sieht Kürzungen im Gesundheitswesen genauso vor, wie das Einfrieren der ohnehin schmalen Renten und eine weitere Mehrwertsteueranhebung. Gegen die Maßnahmen protestierten am Wochenende wieder Tausende. Eine Woche zuvor hatten 300.000, meist junge Menschen, in etlichen Städten protestiert. Das schürt die Angst bei der PSD, letztlich für diese Sparpolitik mitverantwortlich gemacht zu werden.