Portugals Erholung nicht in Sicht

Der Wirtschaftsminister widerspricht dem Regierungschef, der eine Überwindung der Krise in Aussicht gestellt hatte

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Der portugiesische Wirtschaftsminister Álvaro Santos Pereira hat am Freitag im Fernsehen an die großen "Unwägbarkeiten und Unsicherheiten" erinnert, die eine Erholung der Wirtschaft des Landes gefährden. Gegenüber SIC Notícias verwies er vor allem auf die internationale Lage, da "die Welt, insbesondere Europa, die größte Krise" durchlebe. Er zeigte sich nicht davon überzeugt, dass eine Erholung 2013 Jahr zu erwarten sei. Der frühere Wirtschaftsprofessor der Universität Coimbra widerspricht damit dem Regierungschef Pedro Passos Coelho. Obwohl die Wirtschaftsdaten sehr schlecht ausfielen, hatte der konservative Ministerpräsident am Mittwoch erklärt, das Land sei nun "näher daran, die Krise zu überwinden". Er zeigte sich "sehr überzeugt davon, dass 2013 ein Jahr der Stabilisierung und der Vorbereitung auf Wachstum unserer Wirtschaft wird". Diese Aussagen passten nicht mit den Daten zusammen, die zuvor das Statistikamt veröffentlichte. Demnach ist die Wirtschaftsleistung des Landes auch im zweiten Quartal weiter geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist um 1,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal gesunken und damit deutlich stärker als zuvor. Im Vergleich zum Vorjahresquartal ist das BIP sogar um 3,3 Prozent gefallen. Nur Griechenland, das sich auch unter dem Rettungsschirm befindet, stand noch schlechter da.

Der Regierungschef räumte sogar ein, die hohe Arbeitslosigkeit habe ihn überrascht. "Wir haben nicht erwartet, dass sie so hoch ausfallen würde." Die Statistiker hatten die Quote Ende Juni mit 15 Prozent beziffert. Die Europäische Statistikbehörde Eurostat gab sie saisonbereinigt sogar mit 15,4 Prozent an. Vor einem Jahr lag sie noch bei 12,6 Prozent. Dass sie sogar im Sommer weiter steigt, ist kein gutes Zeichen in einem Land, in dem Tourismus ein Pfeiler der Wirtschaft ist.

Angesichts dieser Daten ist die Zurückhaltung des Wirtschaftsministers realistischer. Er weiß, steigende Arbeitslosigkeit die Binnennachfrage weiter einbrechen lässt und alles vom Export abhängt. Tatsächlich hatte Portugal die Exporte zwischen April und Juni im Vergleich zum Vorjahr um 6,8 Prozent gesteigert. Da die Nachfrage nachlässt, gingen die Exporte im Juni gegenüber im Vergleich zum Mai aber wieder um 2,1 Prozent zurück.

Ein Problem für Portugal ist die Entwicklung beim spanischen Nachbar. Der größte Handelspartner rutscht auch immer tiefer in die Rezession. Noch 2011 sog Spanien ein Viertel aller Exporte aus Portugal auf. Im ersten Halbjahr 2012 sind diese Exporte nach Spanien aber um gut vier Prozent gesunken. Im Vorjahreszeitraum waren sie dagegen noch um fast 12 Prozent gestiegen. Da nun die gesamte EU in die Rezession abrutscht, sieht der Wirtschaftsminister auch Unsicherheiten darin, über verstärkte Exporte die Wirtschaft zu stabilisieren.

Offenbar ist die Lage im Land mittlerweile so dramatisch, dass vielen darbenden Familien nicht einmal mehr Schmuck aus Gold bleibt, den sie verkaufen könnten, um sich über Wasser zu halten. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet davon, dass die "Cash-für-Gold"-Läden, die in der Krise wie Pilze auch in Portugal aus dem Boden geschossen sind, nun ebenfalls geschlossen würden. Das Geschäft sei in Monaten von großartig auf entsetzlich umgeschlagen, wird Luis Almeida zitiert, dessen Familie 40 Jahre ein solches Geschäft in der Hauptstadt führt. "Die traurige Wahrheit ist, dass die meisten meiner Kunden bereits alle ihre Goldringe verkauft haben." Paulo Oliveira und seine Frau haben sogar die Eheringe schon verkauft, um die Miete bezahlen zu können. Er fürchtet jetzt, demnächst auf die Straße gesetzt zu werden, und fragt sich, wer für seine Familie ein Rettungspaket schnürt.