Portugiesen fürchten spanische Atomkatastrophe
Gemeinsam protestierten Portugiesen und Spanier am Wochenende gegen das Atomkraftwerk Almaraz
Etwa 2000 Spanier und Portugiesen demonstrierten am Samstag in der spanischen Stadt Cáceres gegen das Atomkraftwerk Almaraz, das in der Grenzregion in der Extremadura steht. Eigentlich sollte das Atomkraftwerk, das 1983 ans Netz ging, schon 2010 abgeschaltet werden. Doch in der schweren Wirtschaftskrise verlängerte die damalige sozialistische Regierung nicht nur die Laufzeit des ältesten Atomkraftwerks Santa María de Garoña, das sogar schon 1971 ans Netz ging. Die Laufzeit für Garoña wurde zwar nur um zwei Jahre verlängert, Almaraz erhielt dagegen zehn Jahre als Zuschlag.
Doch die Menschen in der Region bekommen zunehmend Angst vor dem Meiler, weil immer neue Sicherheitsmängel öffentlich werden. So berichtet Nuno Sequeira von der Umweltorganisation Quercus, warum er mit hunderten Menschen aus Portugal im Nachbarland demonstriert hat. Denn zu Beginn dieses Jahres hatten fünf spanische Inspektoren der Sicherheitsbehörde darüber informiert, dass der Reaktor schwere Kühlprobleme hat. "Die Technologie ist veraltet. Und die Sicherheits‑ und Kühlsysteme geben keine Garantie mehr, dass sie bei einem Zwischenfall tatsächlich eine Kernschmelze verhindern können", sagte Sequeira.
Damit ist der Vorgang aber nur unzureichend beschrieben. Alle fünf Pumpen für die Kühlung des Reaktors haben ein und das gleiche Problem, das eigentlich schon mindestens seit vergangenem September Jahr bekannt ist. Ein Bauteil in den Pumpen ist schadhaft, was zu deren Ausfall führen kann. Bekannt ist aus Tschernobyl und Fukushima, was es für einen Atomreaktor bedeutet, wenn er nicht mehr ausreichend gekühlt werden kann. Denn als einer der schadhaften Motoren einer Pumpe im September 2015 ausgetauscht wurde, versagte der neue schnell seinen Dienst wegen des defekten Bauteils. Bei dem Störfall sei auch radioaktives Wasser in den Tajo gelangt, der im Fall des Supergaus die Strahlung bis in die portugiesische Hauptstadt Lissabon befördern würde.
Da in Spanien die Atomaufsicht mehr nach politischen als nach technischen Kriterien handelt, weswegen sogar schon die Beschäftigten des Kontrollrats (CSN) im vergangenen Jahr für eine "Entpolitisierung", eine "Sicherheitskultur" und "Transparenz" bei seinen Entscheidungen demonstrierte, wurde auch dieser Unfall kleingeredet. Als Sicherheitsprüfer daraufhin eine Inspektion vornahmen, wurde ihnen das Problem mit dem schadhaften Bauteil verschwiegen. Ihnen wurde sogar verboten, als sie doch über das Problem informiert wurden, es in den Inspektionsbericht aufzunehmen.
Deshalb wandten sie sich an die Öffentlichkeit und forderten, eine neue Inspektion der Anlage. Das geschah aber nicht. Es kam zu keinem Betriebsstopp, um die für die Sicherheit so bedeutsamen Pumpen zu untersuchen. Man habe sich im CSN auf die Angaben des französischen Reaktorbauers AREVA verlassen. "Das ist die Firma, die Schlagzeilen gemacht hat, weil sie 500 Sicherheitszertifikate gefälscht hat", kritisieren die Umweltschützer in Aktion. Das Problem ist längst bekannt, Areva räumt ein, dass Teile in französischen Atomkraftwerken verbaut sind und auch aus Deutschland wird Aufklärung gefordert.
Gefordert wurde nun auf der Demonstration, dass wenigstens die schadhaften Pumpen ausgetauscht werden. Auch für den Physiker Francisco Castejón wäre ein Austausch das Mindeste, was geschehen sollte. Da der Meiler noch weitere Probleme aufweise, auch was den Schutz gegen Hochwasser angeht, sollte der Reaktor aber "so schnell wie möglich" abgeschaltet werden. Er glaubt nicht, dass die Sicherheit der Anlage bis zur derzeit geplanten Abschaltung 2020 gesichert ist. Ob das tatsächlich das Abschaltjahr ist, daran zweifelt auch das portugiesische Parlament. Es hat im April einstimmig von Spanien gefordert, den Termin einzuhalten. Das Land hat nie Atomkraftwerke gebaut und kann sich schon jetzt zeitweise komplett mit erneuerbarem Strom versorgen.
Basken protestieren gegen das AKW in Garona, das die PP wieder in Betrieb nehmen will
Erwartet wird, dass die portugiesische Regierung nun den Druck auf Spanien verstärkt. Sollten die Atomfreunde der rechten Volkspartei (PP) aber die Wahlen im Juni gewinnen, ist statt einer Abschaltung eher mit einer neuen Laufzeitverlängerung zu rechnen. Das kann in Nordspanien schon beobachtet werden. Auch im baskischen Vitoria-Gasteiz demonstrierten am Samstag mehr als 2000 Menschen. Sie richteten ihren Protest gegen den Atommeiler in Garoña, der an der Grenze zum Baskenland in Burgos steht. Obwohl der 2012 abgeschaltet wurde, setzt die PP alles daran, ihn wieder in Betrieb zu nehmen. Sie bietet den Betreibern sogar eine Laufzeitverlängerung bis 2031 an. Dabei ist sogar Iberdrola, einer der Betreiber, davon überzeugt, dass nicht nur Garoña, sondern alle "Atomkraftwerke wirtschaftlich untragbar sind".
Die Basken fordern von allen Parteien, sich vor den Wahlen zu verpflichten, den Meiler nie wieder in Betrieb zu nehmen und wie Portugal verstärkt auf Wasser-, Wind-, Sonnenenergie und Biomasse zu setzen. Der Sprecher des Bündnisses "Araba sin Garoña" (Alava ohne Garoña) erklärte, er habe "keinen Zweifel", dass angesichts der derzeitigen Besetzung des Kontrollrats die Entscheidung positiv für einen Weiterbetrieb ausfallen werde. Alberto Frías meinte, es sei "surreal" und "unverständlich", heute noch die Schließung eines Reaktors zu fordern, der baugleich mit denen ist, die in Fukushima havarierten. Und deren Notkühlprobleme sind schon seit Jahrzehnten bekannt.