Puigdemont bleibt in Brüssel

Heute fand in Vilafranca eine Protestversammlung mit der Forderung nach der Freilassung von Jordi Sànchez und Jordi Cuixart, den Präsidenten der für die Unabhängigkeit eintretenden katalanischen zivilgesellschaftlichen Organisationen ANC und Òmnium. Sie wurden präventiv inhaftiert. Bild: Omnium

Der Vorladung des Nationalen Gerichtshofs in Madrid will er nicht nachkommen, spanische Regierung droht mit der Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls

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Als Carles Puigdemont und sieben Minister seiner "legitimen katalanischen Regierung" in Brüssel am Dienstag eine Pressekonferenz im völlig überfüllten Presseclub gaben, war eigentlich längst klar, dass Puigdemont am Donnerstag nicht in der spanischen Hauptstadt Madrid vor Gericht erscheinen würde.

Das hat sein belgischer Anwalt Paul Bekaert nun bestätigt. Der flämische Spezialist für Menschenrechte und Auslieferungsverfahren sagte gegenüber der Nachrichtenagentur AP am Mittwoch, Puigdemont werde "nicht nach Madrid gehen", da er "dort keinen fairen Prozess" zu erwarten habe. Sein Klient werde zunächst abwarten, aber man könne ihn in Belgien vernehmen, schlug er vor.

Eigentlich sollen der offiziell aus Spanien abgesetzte Präsident und seine ebenfalls geschassten 13 Minister am Donnerstag um 9 Uhr vor dem Nationalen Gerichtshof in Madrid zu den Vorwürfen der "Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung von Geldern" für die Durchführung des von Spanien verbotenen Unabhängigkeitsreferendums vernommen werden und innerhalb von drei Tagen die geschätzten Kosten von 6,2 Millionen Euro als Kaution hinterlegen.

Die Regierung wurde nach der Verkündung der Unabhängigkeit am vergangenen Freitag abgesetzt, das Parlament aufgelöst und Katalonien unter spanische Zwangsverwaltung gestellt.

Nach Angaben ihrer Verteidiger wurden ihre Mandanten nicht rechtmäßig vorgeladen, sondern erfuhren davon meist nur aus der Presse. Der Anwalt Jaume Alonso-Cuevillas, der Puigdemont in Katalonien verteidigt, beklagt die Verletzung "fundamentaler Verteidigungsrechte", denn es habe keine Zeit gegeben, um die Verteidigung vorzubereiten. Es sei ihm in seiner Laufbahn noch nie untergekommen, dass Beschuldigte auf den nächsten Arbeitstag vorgeladen würden. "Und das nennen sie Rechtsstaat."

Puigdemont will in Belgien kein politisches Asyl beantragen. Das hatte er auf der Pressekonferenz erklärt, mit der er den Konflikt mit Spanien internationalisiert hat. Man sei als Teil der Regierung "nach Brüssel gereist, um im Herzen Europas das katalanische Problem deutlich zu machen". Es gehe darum, "in Freiheit und Sicherheit" arbeiten zu können. "Wenn ein fairer Prozess mit Gewaltenteilung garantiert wäre, würden wir sofort zurückkehren", sagte er.

Die Zwangswahlen, die der rechte spanische Regierungschef Mariano Rajoy am 21. Dezember durchführen will, "nehmen wir als demokratische Herausforderung" an. Man werde das Ergebnis von freien und fairen Wahlen anerkennen, sagte Puigdemont und fragte Spanien: "Wird der Staat die Ergebnisse, wie auch immer sie ausfallen, auch respektieren?"

Unklar ist, wer nun am Gerichtshof erscheint. Einige der Minister sind nach der Pressekonferenz am späten Dienstag nach Barcelona zurückgekehrt, darunter Innenminister Joaquim Forn und Arbeitsministerin Dolors Bassa. Einige Regierungsmitglieder, darunter auch der Vizepräsident Oriol Junqueras, haben am Mittwoch ihr Erscheinen bestätigt. Auch Außenminister Raül Romeva will das tun, obwohl er die Vorladung erst am Mittwoch um 10 Uhr 45, also nicht einmal 24 Stunden zuvor erhalten habe. "Ist das ein Rechtstaat?", fragt er und erklärt per Twitter, ein "reines Gewissen" zu haben.

Dass die Richterin Carmen Lamela sie inhaftiert, ist nicht unwahrscheinlich. Sie ist als Hardlinerin bekannt. Seit einem Jahr hält sie baskische Jugendliche in Haft, die in Alsasua in eine Kneipenschlägerei mit zwei Mitgliedern der paramilitärischen Guardia Civil verwickelt waren, die verletzt wurden. Neun Jugendlichen aus der Kleinstadt in Navarra drohen dafür Haftstrafen von bis zu 62 Jahren wegen "Terrorismus". Und wie gut informierte Quellen berichten, will die Staatsanwaltschaft auch Untersuchungshaft angesichts der "Schwere der Schuld" beantragen.

Es gibt aber auch Zweifel in der spanischen Justiz, ob eine Anklage wegen Rebellion oder Aufruhr möglich ist. Die Vorwürfe werden stets im Zusammenhang von Gewalt gesehen, doch waren die Proteste der Katalanen stets friedlich. Im Gesetz wird bei Rebellion ausdrücklich von einer "öffentlichen und gewaltsamen Erhebung" gesprochen. So werden im Obersten Gerichtshof Stimmen laut, die Anschuldigungen des Ministeriums für Staatswirtschaft auf "Verschwörung" abzusenken, worauf deutlich geringere Strafen stehen. Für Rebellion werden bis zu 30 Jahre fällig.