Risse im atlantischen Machtblock

China denkt laut über einen IWF-Chef aus einem Schwellenland nach, derweil deutsche Elefanten mal wieder einen Porzellanladen gefunden haben

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Bisher war die Welt der Washingtoner Schwestern, der Weltbank Gruppe und des Internationalen Währungsfonds (IWF), mit der die Westmächte seit mehr als einem halben Jahrhundert mehr schlecht als recht das Finanzsystem des globalen Kapitalismus lenken, relativ unkompliziert. USA und Westeuropa vereinigen eine Stimmenmehrheit auf sich und verteilten entsprechend die wichtigsten Posten untereinander: Der Weltbank steht stets ein US-Bürger vor, der IWF wird hingegen von einem Europäer geleitet.

So möchte man es gern auch mit der Nachfolge des zurückgetretenen Dominique Strauss-Kahn halten, doch die Zeiten ändern sich. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einen Europäer als neuen IWF-Chef pocht, findet die Global Times, das englischsprachige Sprachrohr der KP Chinas, dass nun die Schwellenländer am Zuge sein sollten.

Jiang Yu, einer der Sprecher des Beijinger Außenministeriums, habe "Fairness und Transparenz" eingefordert. Nach Aussage des Blattes war dies das erste Mal, dass sich die chinesische Regierung frühzeitig in die IWF-Personaldiskussion eingemischt habe. Die Zeitung zitiert verschiedene Stimmen aus dem Land der Mitte, die mehr Einfluss für die Schwellenländer fordern und bringt Zhu Min ins Gespräch, einen ehemaligen Vizechef der Beijinger Zentral Bank, der derzeit ein hochrangiger Berater des IWF-Direktors ist.

Der sich abzeichnende Streit um die Strauss-Kahn-Nachfolge birgt zusätzlichen Zündstoff aufgrund der Rolle, die der IWF derzeit in der Schuldenkrise einiger europäischen Länder spielt. Merkel argumentiert explizit mit dieser. Ganz offensichtlich geht es darum, sich über die Personalentscheidung Einfluss auf die Krisenpolitik zum Wohle der deutschen, französischen, niederländischen und britischen Kreditgeber zu sichern.

Hiesige Politiker demonstrieren derweil mal wieder das berüchtigte deutsche Feingefühl und fordern, einen Deutschen auf den Chefsessel in Washington zu setzen. Das würde in Griechenland mit Sicherheit auf besondere Begeisterung stoßen.