Spanien: Regierungspartei bis zum Hals im Schwarzgeldsumpf
Richter Ruz ermittelt gegen Rajoys PP: Die Zentrale der Partei wird von der Polizei durchsucht. Werden gewisse Dokumente gefunden, wird es brenzlig für den Ministerpräsidenten
Während sich der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy auf dem EU-Gipfel in Brüssel befand, rückte am Donnerstagabend die Polizei in der Zentrale seiner Volkspartei (PP) in Madrid an. Bis um 10 Uhr 50 am Freitagmorgen suchten Beamten über 14 Stunden lang Dokumente im Rahmen der Korruptionsermittlungen des Ermittlungsrichters Pablo Ruz. Der konnte den Vorgang praktisch aus seinem Büro im Nationalen Gerichtshof beobachten. Denn der befindet sich schräg gegenüber der PP-Zentrale im Zentrum der Hauptstadt Madrid.
Der Kragen geplatzt
Es ging Ruz konkret darum, Beweise für den Einsatz von Schwarzgeldern bei der Renovierung eben dieser Parteizentrale sicherzustellen. Er geht in seiner Entscheidung von einer "koordinierten Aktion" zwischen 2005 und 2011 aus. Nach Ansicht von Beobachtern ist dem Richter nun der Kragen geplatzt.
Er hatte Ende Juli von der PP gefordert, ihm im Rahmen seiner Ermittlungen Dokumente über die Renovierung ihrer Zentrale zu übermitteln. Weil das bisher nicht geschah, wies er die Polizei an, sie abzuholen. Sollten sich die Konservativen weigern, die Spanien mit einer absoluten Mehrheit regierten, würde die Polizei sechste Etage der Parteizentrale durchsuchen. Dort befindet sich die Verwaltung.
"Alle sollten die Entscheidungen der Justiz respektieren, sie unterstützen ..."
Auf einer Pressekonferenz in Brüssel zeigte sich Ministerpräsident Rajoy angesichts der Aktion gelassen. Er behauptete, seine PP werde mit der Justiz zusammenarbeiten: "Alle sollten die Entscheidungen der Justiz respektieren, sie unterstützen und ihre Ergebnisse abwarten", sagte er. Warum man sich den Forderungen des Richters bisher zur Durchsuchung aber verweigerte, sagte Rajoy nicht.
Richter Ruz sucht mit diesem Vorgang nicht nur Beweise dafür, dass auch die Renovierung der Parteizentrale zum Teil illegal mit Schwarzgeldern bezahlt wurde, vielmehr hat er die Suche auf alle Dokumente im Zusammenhang mit der Schattenbuchführung der Partei ausgeweitet.
Eine Atombombe voller Schwarzgeld
So wurde Schwarzgeld auf Konten in der Schweiz vom ehemaligen Schatzmeister Luis Bárcenas entdeckt. Die Spezialeinheit der Polizei für Wirtschaftsverbrechen (Udef) war nach der Auswertung von E-Mails zum Ergebnis gelangt, dass die PP den Architekten neben der offiziellen Bezahlung zusätzlich mit mehr als einer Million Euro aus den Schwarzgeldkassen bedachte. Letztlich wurden so die Angaben erhärtet, die Bárcenas in seiner parallelen Buchführung über Jahre vermerkt hatte.
Die PP und Rajoy streiten weiter alle Vorwürfe ab. Doch holen den Regierungschef, einige seiner Minister und Parteiführer in den letzten Monaten immer wieder die Ereignisse ein. Zunächst hatte Rajoy und seine PP, so wie bei anderen Vorwürfen auch, die Existenz von Schwarzgeldkonten definitiv abgestritten und sich hinter Bárcenas gestellt. Als die große Tageszeitung El País am 31. Januar aber dessen parallele Buchführung veröffentlichte, wurde das als Versuch dargestellt, die Partei mit "Kopien von Kopien" zu verunglimpfen, deren Herkunft unklar sei.
Die Lage änderte sich aber dramatisch im Juni, denn Ruz ließ den ehemaligen Schatzmeister wegen Steuerbetrugs, Bestechung und Geldwäsche in Untersuchungshaft nehmen. Eine Haftverschonung zu Weihnachten wurde Bárcenas am Freitag wegen "Fluchtgefahr" verwehrt.
Da er eine Inhaftierung mit allen Mitteln verhindern wollte, hatte stets gedroht, im Ernstfall die "Atombombe platzen zu lassen". Deshalb bestätigte er vor dem Ermittlungsrichter, dass es sich um seine Aufzeichnungen handelt, in denen die Einnahmen und Ausgaben über viele Jahre korrekt aufgezeichnet wurden und das er über 48 Millionen Euro auf Schwarzgeldkonten in der Schweiz verfügte.
"Tradition" der PP
Weil die PP-Generalsekretärin María Dolores de Cospedal ihn wegen seiner "Lügen" verklagte, erfuhr die Öffentlichkeit aus erster Hand in einem Verfahren vor einem Zivilgericht Ende Oktober, dass sich die PP "in den letzten 20 Jahren illegal finanziert". Das Geld stamme von "Baufirmen und anderen Unternehmen", die dafür "im Gegenzug an öffentliche Aufträge" kamen, erklärte Bárcenas.
Das Geld sei nicht nur illegal in Wahlkämpfen und zur Renovierung der Parteizentrale benutzt worden, denn es seien auch Zusatzlöhne in Bargeldumschlägen an Parteiführer geflossen. Er habe "eigenhändig" der Generalsekretärin zwei Umschläge übergeben, sagte er und nannte viele Details. Cospedal holte sich in dem Verfahren eine blutige Nase, denn ihre Klage wurde verworfen.
Bárcenas bot sich eine Bühne, um öffentlich zum Angriff überzugehen. Er sprach im Prozess von einer "Tradition" der PP, dass "Zusatzlöhne" in bar und steuerfrei ausgezahlt wurden. Letztlich sucht der Richter Ruz nun nach zusätzlichen Bestätigungen für dessen Vorwürfe in der PP-Zentrale. Dass die Festplatten von Bárcenas Computern gelöscht wurden, nachdem Ruz entsprechende Dokumente angeforderte, ist kein gutes Zeichen.
Findet der Richter nun aber die gesuchten Dokumente, wird es brenzlig für Ministerpräsident Rajoy. Er soll mit mehr als 300.000 Euro die höchste Gesamtsumme aus den Schwarzgeldkassen erhalten haben. Seither befindet sich der Ministerpräsident in der Wählergunst im freien Fall. Bisher wurde noch nichts darüber bekannt, ob die Durchsuchung erfolgreich war.