Spanien: Zapatero zieht sich zurück
Auch die verfehlte Atompolitik des Sozialdemokraten trägt zur Abschaltung des spanischen Ministerpräsidenten bei
Wie allseits erwartet worden war, zieht sich der Spanier José Luis Rodríguez Zapatero aus der Politik zurück. Auch wenn es stets im Vorfeld dementiert worden war, gab der unbeliebte spanische Ministerpräsident beim Führungstreffen der Sozialdemokraten, die sich Sozialisten (PSOE) nennen, am Samstag doch bekannt, im kommenden Frühjahr nicht erneut zu kandidieren. "Ich werde bei den nächsten Parlamentswahlen nicht kandidieren", erklärte der 50-Jährige in Madrid.
So versucht er vor den Regional- und Kommunalwahlen am 22. Mai eine Hypothek von seiner Partei zu nehmen, die Zapatero schon im Vorwahlkampf meidet. Die Lokalfürsten in den Regionen wollten nicht mit dem Regierungschef abgelichtet werden, um dessen Gunst sie lange gebuhlt hatten. Bei Wahlveranstaltungen tritt er nicht auf, um von seiner Unbeliebtheit nicht noch stärker in die Tiefe gezogen zu werden. Zapatero gilt nach Umfragen als der unbeliebteste Ministerpräsident seit dem Tod des Diktators 1975. Das ist eine Leistung, schließlich hatte sein Vorgänger der ultrakonservativen Volkspartei (PP) Spanien an der Seite von Bush und Blair gegen den erklärten Willen von 90% der Bevölkerung in den Irak-Krieg geführt. Doch inzwischen liegt die PP in allen Umfragen etwa 13% bis 15% vor der PSOE.
Trotz des Rückzugs von Zapatero wird ein Wahldebakel für die PSOE im Mai erwartet. Wie seine siebenjährige Amtszeit ist auch der Abgang von Improvisation geprägt. Dass Zapatero am Samstag behauptete, er wollte ohnehin nach zwei Legislaturperioden abtreten, nimmt ihm niemand ab. Letztlich hat ihm in den vergangenen vier Wochen die Fukushima-Krise den Rest gegeben und eine erneute Kandidatur unmöglich gemacht. Auch Zapatero hat die Quittung für seine völlig verfehlte Atompolitik erhalten. Statt wie stets versprochen aus der Atomkraft auszusteigen, verlängerte er 2009 auf Druck der Atomlobby die Laufzeit eines Atomkraftwerks, das baugleich mit den Reaktoren in Fukushima ist. Die bisherige Laufzeithöchstgrenze von 40 Jahren wurde erst kürzlich gestrichen, womit er seinen Nachfolgern den Hebel in die Hand gibt, die Laufzeiten immer weiter zu verlängern. Eine Neubestimmung dieser fatalen Politik war nach der Rolle rückwärts mit Zapatero nicht mehr möglich. Doch nach dem Wahldebakel von Merkel und Westerwelle in Baden-Württemberg will auch die PSOE wieder zurück auf Atomkritik einschwenken.
Dem Land steht aber ein Jahr unter einem Kapitän bevor, dessen Schiff längst steuerungslos in schwerer See treibt. Denn Zapatero will seine "Verantwortung als Regierungschef bis zum letzten Tag ausüben". Damit kommt er vor allem den Unternehmerforderungen nach. Als er den 40 größten und Unternehmen im Land kürzlich die Beschlüsse des EU-Gipfels erklärte, hatte ausgerechnet der Chef der Großbank BBVA, Emilio Botín, von ihm gefordert, die Nachfolgerdebatte zu beenden und keine vorgezogenen Neuwahlen anzusetzen.
Dass sich die Großfinanz sorgt, der Reformweg nach ihrem Gusto könne abreißen, spricht für sich. Mit seinem neoliberalen Kurs, auf den er mitten in der Krise einschwenkte, hat er unter seinen Anhängern schwer an Beliebtheit eingebüßt. In der Rechten genoss er nie Sympathien: durch den Abzug der Truppen aus dem Irak, durch die Abtreibung, die Gleichstellung von Frauen, die Homoehe oder den Friedensverhandlungen im Baskenland.
Doch diese einst gewonnenen Sympathien hat er allesamt verspielt. Die Gewerkschaften bliesen zum Generalstreik, weil Banken mit Milliarden gestützt werden, aber der Kündigungsschutz praktisch beseitigt wurde und die einfache Bevölkerung für die Krise zur Kasse gebeten wird. Die erhoffte Beschäftigungswirkung seiner dekretierten Lohnkürzungen und der Abschaffung des Kündigungsschutzes blieben aus. Erneut, so wurde gestern gemeldet, ist im März ist die Arbeitslosigkeit gestiegen. Mehr als 4,3 Millionen Menschen sind offiziell ohne Job, wobei Spanien nur etwa die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands hat. Schon im Februar hatte Eurostat eine Quote von 20,5% ermittelt. Spanien ist seit langem Rekordhalter in der EU und erzeugt derzeit eine verlorene Generation, denn fast die Hälfte aller jungen Menschen hat keinen Job. Anders als zu seinem überraschenden Wahlsieg 2004, zu dem Zapatero aber nicht viel beigetragen hatte, hat er sich den Abgang schwer erarbeitet.