Spanien gegen Auslieferung von Datendieb an die Schweiz

Die Staatsanwaltschaft ist gegen die Auslieferung von Hervé Falciani, der Daten von Steuerbetrügern geliefert hat

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Die Versuche der Schweiz, die Auslieferung des mutmaßlichen Datendiebs Hervé Daniel Falciani zu erzwingen, stoßen auf Probleme in Spanien. So berichtete am Dienstag die gut informierte große Tageszeitung El País, die Staatsanwaltschaft am Nationalen Gerichtshof in Madrid neige dazu, sich gegen das Schweizer Ersuchen zu stellen. Der italienisch-französische Informatiker wurde auf Basis eines internationalen Haftbefehls bei der Einreise nach Spanien bei einer Routinekontrolle am 1. Juli im Hafen von Barcelona verhaftet und sitzt seither in Untersuchungshaft in Valdemoro bei Madrid. Die Schweiz hat seine Auslieferung beantragt, weil sie ihm Wirtschaftsspionage, Datendiebstahls sowie Verletzung des Bankgeheimnisses und des Geschäftsgeheimnisses vorwirft.

Falciani soll 130.000 Datensätze von Kunden der britischen HSBC kopiert haben, bei der er in Genf als Informatiker beschäftigt war. Er soll die Daten verschiedenen Stellen, auch in Deutschland, angeboten haben, woraufhin französische Behörden im Januar 2009 seinen Computer beschlagnahmten, denn Falciani hatte sich in den Süden Frankreichs abgesetzt, nachdem 2008 Ermittlungen in der Schweiz aufgenommen worden waren. Es kam zum diplomatischen Konflikt mit Frankreich, wie er nun mit Spanien droht, wenn sich Madrid dem Berner Auslieferungsgesuch verweigert. Auch Paris hatte sich zunächst geweigert, die beschlagnahmten Daten an die Schweiz weiterzuleiten. Das geschah zwar später, doch nicht ohne sie zuvor zu kopieren.

Mit den Daten wurden in Frankreich Ermittlungen eingeleitet. Um Strafen zuvorzukommen, sollen sich mehr als 4000 HSBC-Kunden gestellt und Steuern nachgezahlt haben. Zudem wurden auch Daten an andere Länder geliefert, deren Staatsbürger Schwarzgeldkonten bei der HSBC unterhielten. Darunter befand sich neben Italien auch Spanien. Die Iberer sollen Informationen über 3000 HSBC-Konten erhalten haben. 659 Ermittlungsverfahren wurden in Spanien eingeleitet. Das habe zur größten "Regulierung in der Steuergeschichte" geführt, hatte der damalige Finanzstaatssekretär Carlos Ocaña Ende 2010 erklärt. Die Gesamtsumme der hinterzogenen Steuern allein von diesen Konten wird auf mehr als sechs Milliarden Euro beziffert. Gefunden wurde auch Schwarzgeld vom Chef der spanischen Großbank Santander. Der Steuerhinterzieher Emilio Botín war wegen Falciani gezwungen, 200 Millionen Euro nachzuzahlen.

Falciani gilt nicht als Dieb, sondern als Held

Die spanische Staatsanwaltschaft sieht zwei wesentliche Gründe dafür, sich der Auslieferung zu widersetzen. Auf der einen Seite hofft sie, Falciani verfüge noch über Daten oder zusätzliche Informationen, um weiteren spanischen Steuerbetrügern auf die Spur zu kommen. Als der Informatiker am 9. August vom Ermittlungsrichter Eloy Velasco vernommen wurde, bot er den spanischen Behörden seine vollständige Bereitschaft an, sich an der Aufklärung von Steuervergehen zu beteiligen.

Zudem sehen die Staatsanwälte eine grundsätzliche Voraussetzung für eine Auslieferung an die Schweiz nicht erfüllt. Denn die Vorwürfe, die Falciani in der Schweiz gemacht werden, müssen auch in Spanien strafbar sein. Vor allem mit dem in der Schweiz gehüteten Bankgeheimnis hat man in Spanien enorme Probleme. Denn spanische Gesetze gegen Geldwäsche schreiben sogar vor, dass Steuerhinterziehung angezeigt werden muss. Allerdings ist angesichts der Steueramnestie, welche die konservative Regierung nun Steuersündern anbietet, fraglich, ob sie überhaupt an der Verfolgung von Steuerbetrügern interessiert ist. Schließlich belohnt sie Steuerverbrechen damit, dass Schwarzgeld mit einer minimalen Abgeltungssteuer von höchstens 10% legalisiert werden kann. Oft wäre aber ein Steuersatz von über 50% angefallen, wenn die Gesetze eingehalten worden wären.

Die Regierung ist längst mit einem massiven Unmut konfrontiert. Die Auslieferung einer Person, die die Aufdeckung von Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe ermöglicht hat, ist kaum zu vermitteln. Schließlich streicht Spanien massiv Sozialleistungen, erhöht Steuern und kürzt Gehälter im öffentlichen Dienst, weil viel Geld fehlt und das Haushaltsdefizit hoch ist. Für viele im Land ist Falciani kein Dieb, sondern ein Held, der hilft, vermögenden Steuerhinterziehern auf die Spur zu kommen. Vergleiche werden auch zum WikiLeaks-Mitbegründer Julian Assange gezogen.