Spanien immer korrupter

Nach Einschätzung von Transparency International nimmt die Korruption in Spanien dramatische Ausmaße an

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In den letzten Monaten sind Korruptionsskandale in Spanien aufgeflogen sind, die bis hinauf ins Königshaus und die Regierung reichen. Das ist auch am Korruptionsindex von Transparency International (TI) nicht spurlos vorbeigegangen. Die Korruptionswächter schätzen zwar Griechenland weiter als das korrupteste Land in Europa ein, doch Spanien holt mit großen Schritten auf. Während Griechenland seine Position gegenüber dem Vorjahr um vier Punkte auf 40 Punkte verbessern konnte und damit auf Rang 80 liegt, stürzte Spanien im Negativ-Ranking der 177 Staaten sogar um zehn Punkt ab. Das große Land auf der iberischen Halbinsel fiel mit 59 Punkten von Rang 30 auf Rang 40 zurück.

Spanien liegt im Korruptionswahrnehmungsindex nun sogar noch hinter Zypern (63), Portugal (62) und Polen (60). Nur das vom Bürgerkrieg erschütterte Syrien ist im Negativ-Ranking noch stärker abgestürzt. Spanien befindet sich bei seinem dramatischen Absturz im Ranking in einer Gruppe mit Mali, Gambia, Guinea-Bissau und Libyen. Ein Problem ist nach TI, dass die Korruption im Land weitgehend straffrei bleibt. Der spanische Universitätsprofessor Manuel Villoria führt an, dass in Polen im vergangenen Jahr 3.000 Urteile gegen Korruption gesprochen wurden. "In Spanien waren es nur 90." Für sie gibt es nur ein Resümee: "Es herrscht Straffreiheit."

In Spanien reagierte allerdings die Öffentlichkeit immer wieder empört, dass in den wenigen Fällen, in denen es zu Urteilen gegen korrupte Politiker kommt, oft schnell eine Begnadigung durch die Regierung folgt. So haben 80 Prozent der Abgeordneten der konservativen Volkspartei (PP) im Regionalparlament gerade einen Begnadigungsantrag für den ehemaligen Bürgermeister von im Torrevieja (Alicante) unterzeichnet. Pedro Ángel Hernández Mateo war wegen Korruption zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt worden.

Dabei ist das eher einer der vielen kleinen Korruptionsfälle, in welche die regierende PP, aber auch die oppositionellen Sozialisten (PSOE) verstrickt sind. Villoria benannte aber den großen Gürtel-Skandal und den um den ehemaligen Schatzmeisters der PP. Luis Bárcenas sitzt seit Juni in Untersuchungshaft. Er hat auch vor dem Ermittlungsrichter Pablo Ruz bestätigt, dass es bei seinen Konservativen eine parallele Buchführung gab, mit der die Schwarzgeldkonten verwaltet wurden. Er verfügte über 48 Millionen Euro auf Schweizer Konten.

Seine Schattenbuchführung hatte im vergangenen Januar die große Tageszeitung El País veröffentlicht. Einnahmen und Ausnahmen seien darin korrekt verzeichnet, bestätigte Bárcenas. Es sei eine "Tradition" der PP, dass "Zusatzlöhne" in bar und steuerfrei ausgezahlt wurden. Die PP habe sich "in den letzten 20 Jahren illegal finanziert". Das Geld stamme von "Baufirmen und anderen Unternehmen", die dafür "im Gegenzug an öffentliche Aufträge" kamen, beschrieb er, wie das, wie geschmiert laufende, System funktioniert.

Dass die Korruptionswächter der Regierung bescheinigen, aufgedeckten Korruptionsskandalen wenig Aufmerksamkeit zu schenken, ist sehr zurückhaltend. Bisher ist kein Regierungsmitglied zurückgetreten, obwohl auch Minister kassiert haben sollen. Die Opposition hat mehrfach den Rücktritt von Ministerpräsident Mariano Rajoy gefordert. Nach Angaben der parallelen Buchführung soll er mit mehr als 300.000 Euro sogar die höchste Gesamtsumme erhalten haben.

Doch nicht nur die Regierung, sondern auch die Monarchie steht am Pranger. So muss mit Iñaki Urdangarin der Schwiegersohn des Königs demnächst auf einer Anklagebank platznehmen und sich wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder in Millionenhöhe, Steuerbetrug und Dokumentenfälschung verantworten. Doch auch die Schlinge um die Königstochter Cristina zieht weiter zu. Veröffentlichte Dokumente erschüttern immer stärker das von ihr gezeichnete Bild, von den dubiosen Geschäften ihres Ehemanns nichts gewusst zu haben.

Am Dienstag warf die Steuerprüfergewerkschaft Gestha der Finanzbehörde vor, von Cristina vorgelegte falsche Rechnungen würden plötzlich anerkannt. Nur so käme sie unter die Grenze von 120.000 Euro betrogener Steuern und würde einer Anklage entgehen. Wer in einem Jahr das spanische Finanzamt um weniger als diese Summe betrügt, begeht keine Straftat. Noch im Juni hatte die Finanzbehörde, der Finanzminister Cristobal Montoro vorsteht, die falschen Rechnungen abgelehnt. Doch damit wäre der Steuerbetrug im bisher nicht verjährten Jahr 2007 über die Marke gesprungen.

Der Gestha-Präsident Carlos Cruzado ist bestürzt und meint, die Königstochter werde geschützt. "Diese Rechnungen hätten nie anerkannt werden dürfen." Es handele sich dabei auch um "Ungehorsam" gegenüber dem Ermittlungsrichter José Castro. Der hatte angeordnet, alle falschen Rechnungen auszuklammern. In Spanien drängt sich bei vielen der Eindruck auf, dass die Königstochter mit allen Mitteln ausgeklammert werden soll. Auch die Staatsanwaltschaft hat dem Richter eine Vernehmung von Cristina verweigert.