Spanien will Friedensstifter von Wahlen ausschließen
Die Linke fordert von der Bundesregierung, sich für "faire Wahlen" zum baskischen Parlament und für den Friedensprozess einzusetzen
Die baskische Linkspartei EH Bildu (Baskenland versammeln) hält an ihrem Kandidaten für Wahlen zum baskischen Parlament am 25. September fest, damit der Linkspolitiker Arnaldo Otegi Präsident der Autonomen Baskischen Gemeinschaft (CAV) werden kann. Am Mittwoch hatte der Wahlrat in baskischen Provinz Gipuzkoa entschieden, deren Liste Otegi anführt, er sei "nicht wählbar". Sprecher von EH Bildu nannten das Vorgehen "einen politischen Angriff, der als juristischer getarnt wird".
Oskar Matute und Oihane Zabaleta kündigten auf einer Pressekonferenz in der europäischen Kulturhauptstadt Donostia-San Sebastián einen Widerspruch vor dem zuständigen Verwaltungsgericht an. "Aufzugeben liegt nicht in unserer politischen Kultur", sagte Matute. "Das Problem hier ist nicht, ob Arnaldo oder EH Bildu antreten kann", erklärten sie in Bezug auf die vielen Parteiverbote der vergangenen Jahre. Sondern es gehe darum, "ob wir in einer Demokratie ohne Einschränkungen leben wollen". Otegi hat gegenüber dem baskischen Rundfunk erklärt, man werde "unter keinen Umständen" einen alternativen Kandidaten aufstellen und dass es sich aus juristischer Sicht um einen "schweren Irrtum" handele.
Schon zuvor sprach er davon, er könne nur per "Betrug" ausgeschlossen werden und verwies auf Urteile des Obersten Gerichtshof und des Verfassungsgerichts. Zwar war er zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt worden, die er abgesessen hat, und dazu einem gleichlangen Verbot Ämter zu bekleiden, doch damit gibt es gleich zwei Probleme. Um welche Ämter es sich handelt, wurde nicht spezifiziert. Deshalb ließen höchste Gerichte zum Beispiel im Fall des Basken Iker Casanova eine Kandidatur zu. Zuvor hatte schon die Generalstaatsanwaltschaft es als "einen Fehler" eingeräumt, dass es wie im Fall Otegi keine Spezifizierung gab.
Bei Otegi kommt zudem die Frage der Berechnung hinzu. Der Wahlrat folgte der Auslegung, dass das Verbot bis 2021 gelte, was auch Staatsanwälte bezweifeln. Denn definitiv war er schon die sechseinhalb Jahre nicht wählbar, die er im Knast saß.
Die Entscheidung wird vor dem Wahlkampfbeginn am 9. September vor dem Verfassungsgericht fallen. Wären Einsprüche erfolgreich, werden die konservative Volkspartei (PP) und die rechte Ciudadanos (Bürger), die gerade ein Bündnis zur Regierungsbildung schmieden, alles daran setzen, den beliebten Otegi auszuschließen. Beide begrüßten die Wahlrats-Entscheidung als "gute Nachricht". Beide Parteien haben heute erneut beim Wahlrat seinen Ausschluss beantragt.
Machtmissbrauch der Regierung
Anders sehen das praktisch alle baskischen und katalanischen Parteien und auch die spanischen Linksparteien. Meritxell Batet, rechte Hand von Sozialistenchef Pedro Sánchez, erklärte schon vor der Entscheidung, Otegi habe aus "juristischer Sicht" seine Verpflichtungen erfüllt und damit die "Berechtigung" anzutreten. Für die linke Podemos (Wir können es) sagte der Parteiführer Íñigo Errejón, dass die "baskische Bevölkerung, die volljährig ist, entscheiden muss, ob sie Otegi oder einen anderen Kandidaten wählt. Der Chef der Vereinten Linken (IU) Alberto Garzón erklärte per Twitter, dass man es mit einem "enormen Machtmissbrauch" zu tun habe, der "unwürdig für ein Land ist, das sich demokratisch nennt".
In Deutschland hatte schon zuvor "Die Linke" vor einem Ausschluss gewarnt. Der geschäftsführende Vorstand fordert von den spanischen Behörden, "freie und faire Wahlen im Baskenland zu ermöglichen und Arnaldo Otegi das passive Wahlrecht zu ermöglichen". Die Linkspartei, die sich für einen Friedensprozess stark macht, "fordert die Bundesregierung auf, diese Forderungen gegenüber der spanischen Regierung und den spanischen Behörden zu vertreten". Sie weist darauf hin, Otegi habe maßgeblich dazu beigetragen, "dass der Konflikt im Baskenland friedlich gelöst wird" und sein Ausschluss würde "den Friedensprozess torpedieren".
Der Fall Otegi kann als beispielhaft für den repressiven Umgang gesehen werden. Verhaftet wurde er mit anderen, weil er angeblich die verbotene Partei Batasuna (Einheit) für die Untergrundorganisation ETA wiederaufgebaut haben soll. Dafür wurde er zunächst sogar als angebliches ETA-Führungsmitglied verurteilt, doch vom Obersten Gerichthof zu einem einfachen Mitglied gestempelt. Dabei war von Beginn an klar, dass er und andere an einem einseitigen Friedensprozess gearbeitet haben, die ETA zum Niederlegen der Waffen zu bringen.
Obwohl dies längst als historische Wahrheit bekannt ist, wurde er verurteilt und musste die gesamte Strafe absitzen. Dabei hatte auch sein Wirken schließlich vor fast fünf Jahren dafür gesorgt, dass die ETA im Rahmen einer internationalen Friedenskonferenz die definitive Einstellung des bewaffneten Kampfs beschloss. Otegi hatte derweil schon die Auflösung der ETA gefordert und sich auch bei Opfern entschuldigt. Von der Gegenseite wird fast nur mit Repression geantwortet.
Die konservative spanische Regierung weigert sich auch weiterhin, auch nur über die Entwaffnung zu sprechen und setzt vor allem auf Repression, was die internationalen Beobachter weiter verstört. Unter deren Aufsicht kam es sogar schon zur Versiegelung der Arsenale und zu einer ersten Entwaffnungsaktion. Dafür wurden sogar die international anerkannten Beobachter vor den Nationalen Gerichtshof zitiert, darunter auch ein Mitglied der Stiftung von Nelson Mandela.