Spanische Richterin stoppt Umweltkatastrophe mit Ansage
Sie spricht von "schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten" im Vergabeverfahren zur Neueröffnung einer Mine, die Spanien 1998 die bis dahin größte Umweltkatastrophe bescherte
Es war vor fast genau 17 Jahren, als sich nahe der andalusischen Stadt Aznalcóllar die bis dahin größte Umweltkatastrophe Spaniens ereignete. Wegen Sicherheitsmängeln riss im April 1998 der Damm einer Mine nahe Sevilla. Aus dem Auffangbecken für Abwässer der Zink-, Blei- und Silbermine ergossen sich mehrere Millionen Kubikmeter giftigen Schlamms über 4600 Hektar Ackerland und bedrohten den Nationalpark Coto de Doñana, ein Weltkulturerbe und der größte Vogelschutzpark Europas. Er enthielt hohe Konzentrationen des hochgiftigen Arsens, aber auch Schwermetalle wie Blei, Kadmium und Quecksilber.
Auf den betroffenen Flächen wächst bis heute nicht einmal Unkraut. Die Mine gehörte zum Zeitpunkt der Katastrophe der Schwedisch-Kanadischen Gesellschaft Boliden und ist seit den Vorgängen damals geschlossen. Es gab stets Bestrebungen, die Mine wieder in Betrieb zu nehmen. Die verstärkten sich mit der schweren Krise ab 2008. Das Vorhaben wurde nun aber wegen "schwerwiegender Unregelmäßigkeiten" gestoppt.
Das ging auf die Entscheidung der Richterin Patricia Fernández Franco zurück. Sie fand in Sevilla scharfe Worte, um das Vorgehen der Regionalregierung im Vergabeverfahren anzugreifen, denn die Behörden hätten sogar "die minimalste Genauigkeit" vermissen lassen. Das erstaunte die Richterin angesichts der Tatsache besonders, dass sie für das "Desaster" vor 17 Jahren verantwortlich war. Sie hat die Unterlagen analysiert, die die interessierten Bewerber vorgelegt haben. Sie kommt zum Ergebnis, dass deshalb Minorbis, die den Zuschlag für die Ausbeutung der Mine erhielt, schon "in der Vorauswahl" hätte ausgesondert werden müssen. Sie habe die nötige Studie über ihre Fähigkeiten nicht vorgelegt. Auch die Verpflichtungen zwischen Minorbis und der Grupo México, die gemeinsam das Projekt angehen sollten, seien nicht wie gefordert offengelegt worden.
Da nicht einmal die geforderten Jahresberichte über die Geschäftsaktivitäten vorgelegt wurden, stellte die Richterin "eindeutige Mängel" fest, sodass sie nicht einmal die Bedingungen für eine Teilnahme an der Ausschreibung erfüllt sieht. Sie hat die Spezialeinheit der Polizei für Wirtschafts- und Steuerkriminalität (Udef) aufgefordert, die Direktorin der Behörde für Energie und Minen zu vernehmen. María José Asencio Coto wird nun als Verantwortliche für die in der Vergabe und für die getroffenen Entscheidungen vernommen.
Der Auftrag an die Udef macht klar, dass Korruption bei der Vergabe vermutet wird. Die Richterin ermittelt wegen Bestechung, Rechtsbeugung und unrechtmäßigen Handlungen. Dahin richtete sich auch die Anzeige der Firma Emerita, die gegen Minorbis-Grupo México unterlegen war. Emerita hatte das "irreguläre" Vorgehen der Behörden und deren "Willkür und offensichtliche Rechtsbeugung" angezeigt. Dieses Unternehmen hatte die Richtlinien erfüllt, wollte mit 600 Millionen Euro mehr als doppelt so viel Geld in die marode Mine investieren und mit fast 1000 Arbeitsplätzen auch mehr als doppelt so viele Stellen in einer von Arbeitslosigkeit hart getroffen Region schaffen. Schon deshalb war für viele in Andalusien unverständlich, warum sie nicht den Zuschlag erhielt.
Die amtierende Präsidentin der Regionalregierung hat die Vergabe nun gestoppt. Die Sozialdemokratin Susana Díaz versucht den Vorgang als "Streit zwischen zwei Firmen" herunterzuspielen. Damit macht sie es sich angesichts der Vorgänge sehr leicht. Umweltorganisationen sprechen von "Pfusch" bei der Vergabe. Sie hatten stets kritisiert, dass Minorbis-Grupo Méxiko niemals die nötigen Umweltgarantien gegeben habe. Greenpeace weist darauf hin, dass in allen 640 Verfahren bei der Vergabe von Schürfrechten in Andalusien die Umweltverträglichkeitsprüfungen nicht komplett und von unabhängigen Gutachtern durchgeführt worden waren und es keine Bürgerbeteiligung an der Entscheidungsfindung gab.
Für Umweltorganisationen ist ein solches Vorgehen die Basis für die nächste Umweltkatastrophe, denn aus den Vorgängen von einst sei nichts gelernt worden. Noch schlimmer für sie ist, dass auch in Mexiko gegen den mexikanischen Partner von Minorbis ermittelt wird. Aus einer Kupfermine der Grupo México in Cananea sind 2014 etwa 40 Millionen Liter Säure, mit Schwermetallen vermischt, in den Fluss Sonora gelaufen und sorgten für eine Umweltkatastrophe. Den Behörden in Andalusien hätte mitgeteilt worden, dass die Firma selbst minimale Sicherheitsvorschriften missachte.
Trotz allem bekam das von Minorbis und Grupo México gebildete Konsortium "Magtel" im Februar 2015 die Schürfrechte. Umweltschützer feiern, dass nun ein Gericht eingeschritten ist, denn sie haben eine neue "Katastrophe mit Ansage" befürchtet. Schon 1998 hatte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" getitelt, dass es sich in Aznalcóllar um eine "angekündigte Katastrophe" handelte, weil offenkundige Sicherheitsmängel unbeachtet blieben.
Díaz macht es sich auch deshalb zu einfach, weil Korruption nun wirklich in Spanien und in Andalusien nicht selten ist. Sogar ihre beiden Vorgänger auf dem Präsidentensessel stehen wegen Korruptionsaffären im Rampenlicht. Erst kürzlich wurden Manuel Chaves und José Antonio Griñán als Beschuldigte vom Obersten Gerichtshof vernommen. Es geht unter anderem um den massiven Missbrauch von Subventionen für Fortbildung von Arbeitslosen und insgesamt um etwa eine Milliarde Euro. Gegen die nun angeschuldigte Behördenchefin wurde schon einmal wegen Subventionen in Höhe von 10 Millionen ermittelt, die an eine Minengesellschaft gingen, in der die Tochter des Ex-Präsidenten Chaves in einer Führungsposition tätig ist.
Die Vorgänge um die Vergabe der Schürfrechte in Aznalcóllar kann Díaz nicht erneut auf ihre Vorgänger abwälzen, denn sie fallen komplett in ihre Amtszeit. Sie ist dafür politisch verantwortlich. Und sie erschweren deshalb auch die Regierungsbildung nach den vorgezogenen Neuwahlen im März weiter. Schon drei Mal fiel Díaz bei Abstimmungen durch, weil die Unterstützung anderer Parteien fehlt. Die Sozialdemokraten wurden zwar erneut stärkste Fraktion, allerdings erreichten sie mit gut 35 Prozent das bisher schlechteste Ergebnis in ihrer einstigen Hochburg.