Spanische Vorschläge zur Sicherung der Finanzierung
Während die Gewerkschaften gegen die Sparpolitik der Regierung streiken, will die Regierung einen Ablasshandel für Steuersünder
An einer Stelle ist die sozialdemokratische spanische Regierung kreativ. Sie produziert gerne kuriose Vorschläge. Die streut sie aus, um zu testen, wie die Öffentlichkeit reagiert und meist verschwinden sie danach wieder schnell. So war es schon vor zwei Jahren, als man Geldwäscher animieren wollte, die riesige Summen an Schwarzgeld in den Geldkreislauf zu bringen, um Liquidität herzustellen.
Vor dem Streik im öffentlichen Dienst am Dienstag, ließ man einen "streng geheimen" Vorstoß an die Presse durchsickern. Demnach denke die Regierung über eine "Amnestie für Steuersünder" nach, wenn die ihr nicht versteuertes Vermögen angeben und spanische Staatsanleihen kaufen. Als "Strafe" sollen sie nur einen niedrigeren Zinssatz bezahlen. Damit will Madrid die hohen Finanzierungskosten für steigende Staatsschulden senken. Das bisher versteckte Geld solle danach versteuert werden, heißt es in dem Bericht mit Bezug auf höchste Regierungsstellen.
Doch wie daraus Steuereinnahmen geschöpft werden könnten, ist mehr als zweifelhaft. Schließlich hatten die Sozialisten doch erst 2008 mit Beginn der Krise die Vermögenssteuer abgeschafft. Auch im zweiten Sparpaket, gegen das gestern im öffentlichen Dienst gestreikt wurde, soll sie nicht reaktiviert werden. Es wird weder eine Reichen- oder Börsentransaktionssteuer eingeführt, noch die sehr niedrige Steuerpauschale auf Kapital- oder Börsengewinne erhöht, weshalb es statt einer Strafe sogar ein Geschäft wäre, das Geld in Staatsanleihen anzulegen.
Denn Kapital- und Börsengewinne werden in Spanien nicht zum Einkommen hinzugerechnet, womit die Steuerprogression ausgehebelt wird. Auf sie werden nur pauschal 18% Steuern gezahlt. Das gilt auch für Finanzgesellschaften (Sicav) in denen Finanzkapital geparkt wird. "Sicavs" werden nicht einmal wie Firmen besteuert, die 30 % zahlen müssen. Sie dienten oft nur dazu, den Reichtum einzelner Familien vor dem Fiskus zu schützen, meint Francisco de la Torre Díaz, Sprecher der Abteilung für Steuerhinterziehung der Finanzbehörden. Doch die Regierung befürchtet "Kapitalflucht", weshalb sie diese Gesellschaften nicht angehen will, sondern lieber darüber nachdenkt Steuersünder zu belohnen und lieber bei Geringverdienern und am sozialen Netz die Schere ansetzt.
Doch angesichts dieser Politik steht die von den Sozialisten (PSOE) geführte Regierung vor einer Zerreissprobe. Den kopernikanischen Schwenk auf einen drastischen Sparkurs, den Brüssel der Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero Anfang Mai mit dem Rettungspaket diktierte, hat zum Bruch mit den großen spanischen Gewerkschaften geführt. Das zeigte sich gestern in einem massiven Streik. Dazu hatten die spanischen Gewerkschaften aufgerufen, die bisher den Kurs der Regierung gestützt hatten.
Nach deren übertriebenen Angaben sollen sich 75 Prozent der gut 2,6 Millionen Staatsbediensteten am Ausstand beteiligt haben. Die Regierung erklärte dagegen untertrieben, nur 15 Prozent der Beschäftigten hätten gestreikt. Das dürfte nicht einmal im Baskenland stimmen, wo der Streik kaum zu spüren war. Die baskischen Gewerkschaften hatten sich nicht angeschlossen. Hier wurde schon Ende Mai massiv gegen die Madrider Sparpläne gestreikt. Die Basken kritisieren, dass die spanischen Gewerkschaften weiter auf Sozialpaktgespräche statt auf soziale Konfrontation setzten, in denen sie sich schon seit Jahren an der Nase herumführen ließen.
Dort hatten sie schon Einschnitten bei den Renten und im Kündigungsschutz zugestimmt, ohne dafür die erwarteten Gegenleistungen zu bekommen, wie eine Beschränkung der ausufernden befristeten Beschäftigung. Dieses System ist die Grundlage dafür, dass die Arbeitslosigkeit schnell auf über 20% steigen konnte.
Die spanischen Gewerkschaften können an ihrer Basis nicht mehr vermitteln, warum die Kosten für die Krise und die Bankenrettung allein auf die einfache Bevölkerung abgewälzt werden. Im zweiten Sparplan, der die Ausgaben 2010 und 2011 um weitere 15 Milliarden kürzt, werden die Gehälter im öffentlichen Dienst durchschnittlich um fünf Prozent verkleinert. Danach werden sie eingefroren und das gilt auch für Renten. Auch tiefe Einschnitte ins soziale Netz, bei Infrastrukturmaßnahmen und Entwicklungshilfe sind dabei.
Dazu kommen die Mehrwertsteuererhöhung um 2 auf 18 Prozent, die Anhebung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre und anderes aus dem ersten Paket, mit dem auch Geringverdiener besonders belastet wurden. Und das trägt nicht einmal etwas dazu bei, das dritthöchste Haushaltsdefizit in der EU bis 2013 zu verringern.
Doch Brüssel genügen die bisher präsentierten Sparpläne noch nicht, weshalb sich Spanien auf dem Weg zum Generalstreik befindet. "Es muss mehr getan werden", sagte der Währungskommissar Olli Rehn im Rahmen der Prüfung der spanischen Pläne am Montag. Der Vorsitzende der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, forderte Anstrengungen über 2011 hinaus und "Fortschritte bei strukturellen Reformen".
Neben der Rentenreform ist eine Arbeitsmarktreform gemeint. Hier zielt die Regierung darauf, die Kündigungen zu verbilligen. Abfindungen stellen noch den einzigen Schutz vor Kündigung dar. Deshalb bereiten die Gewerkschaften den Generalstreik vor. Angepeilt wird ein Streiktag am 28., 29., oder 30 Juni, mit der ein geplantes Reformdekret zu Fall gebracht werden soll, dass vor dem 15. Juni verabschiedete wird, bevor die EU definitiv über Spanien entscheidet. Per Generalstreik wurde schon 2002 ein Arbeitsmarktdekret der konservativen Vorgänger gekippt.