Spanischer Ministerpräsident Rajoy als "Lügner" bezeichnet

Der ehemalige Schatzmeister der Volkspartei stieg nach seinem Rücktritt zum Spitzenverdiener auf. Streit um Gibraltar ein Ablenkungsmanöver?

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Man habe es in Spanien nicht mit einem "Fall Bárcenas" sondern mit dem "Fall Rajoy und seinen Lügen" zu tun. So hat Antonio Hernando, Sprecher der sozialdemokratischen Opposition, den spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy am Montag direkt für die skandalösen Vorgänge in dessen Volkspartei (PP) verantwortlich gemacht. Die Sozialisten (PSOE) fordern seinen Rücktritt und eine Untersuchung der Vorgänge durch eine parlamentarische Untersuchungskommission.

Am Montag hat die große Tageszeitung El Mundo neue Daten veröffentlicht, die den Angaben des konservativen Regierungschefs widersprechen. Demnach habe der ehemalige PP-Schatzmeister Luis Bárcenas stets zu den bestbezahlten PP-Mitgliedern gehört hat. Dabei soll er angeblich 2009 sein Posten geräumt haben, weil er in einen Schmiergeldskandal angeklagt wurde. Doch 2010 und 2011 sei er sogar zum bestbezahlten PP-Politiker aufgestiegen, macht die Zeitung deutlich, die der Regierung nahe steht.

Rajoy hat nun ein neues Problem, denn er behauptete noch am 1. August steif und fest im Parlament, dass Bárcenas "nicht mehr in der Partei war". Die Opposition fragt nun, wieso er 2011 ein Jahresgehalt von 251.000 Euro erhielt, das sogar 51.000 Euro über dem von Rajoy lag. El Mundo veröffentlichte auch eine Lohnabrechnung aus dem Mai 2012. 18.297 Euro monatlich verdiente er auch 2012, was bei den üblichen 14 Zahlungen 256.158 Euro im Jahr waren und als "Schweigegeld" interpretiert werden muss.

Nicht nur der Linken sind die Winkelzüge des Ministerpräsidenten leid. "Sagt Rajoy endlich die Wahrheit oder muss er dafür erst vor einem Richter erscheinen", fragte Rosa Díez, Chefin der Zentrumspartei Union, Volk und Demokratie (UPyD). () Sie hatte Rajoy im Parlament 20 konkrete Fragen gestellt und seine ausweichenden Antworten "beschämend" bezeichnend. Die Vereinte Linke (IU) bereitet nun Großproteste für den Herbst vor, kündigte IU-Chef Cayo Lara am Montag an. Er glaubt Rajoy "kein Wort mehr". Die IU will mit massiven Protesten den Rücktritt der Regierung und Neuwahlen erzwingen.

Mit Spannung werden nun die Vernehmungen von PP-Führern und ganz besonders die Aussage von PP-Generalsekretärin María Dolores de Cospedal am Mittwoch erwartet. Ermittlungsrichter Pablo Ruz will als Zeugin zur illegalen Parteienfinanzierung vernehmen. Bárcenas räumte nach seiner Inhaftierung im Juni ein, die PP habe sich "in den letzten 20 Jahren illegal finanziert". 48 Millionen Euro, die vor allem auf seinen Schweizer Konten gefunden wurden, stammten von "Baufirmen und anderen Unternehmen", die "im Gegenzug an öffentliche Aufträge" kamen. Bargeldbeträge seien auch an Parteiführer geflossen. Rajoy soll die höchste Gesamtsumme erhalten haben.

Das geht aus Bárcenas paralleler Buchführung hervor, die El País schon im Januar veröffentlicht hat. Das Original liegt Ruz vor. Der hält es für erwiesen, dass es in der PP eine Schattenbuchführung gab. Denn in der offiziellen Buchführung, die dem Rechnungshof vorgelegt wurde, sind Zahlungen nicht vermerkt, deren Erhalt PP-Führungsmitglieder bei ihrer Vernehmung zugegeben haben. In Bárcenas Schattenbuchführung tauchen sie aber auf. Dokumente, die Ruz übergeben hat, sollen auch belegen, dass die Partei die Schwarzgelder illegal im Wahlkampf einsetzte. Millionen seien vorbei an der Kontrolle des Rechnungshofs in Wahlkämpfe geflossen.

Streit um Gibraltar als Ablenkungsmanöver

Wegen der Schmiergeldaffäre wirft die Opposition der Regierung auch vor, den Streit mit Großbritannien um Gibraltar künstlich als Ablenkungsmanöver zu schüren. Spanien fordert erneut die Rückgabe der britischen Kolonie an der Meerenge und macht Druck. Anlass des Streits sind wieder einmal umstrittene Fischereirechte vor der 6,5 Quadratkilometer großen Kolonie. 99 Prozent ihrer Bewohner hatten sich bei einem Referendum für den Verbleib im britischen Königreich ausgesprochen.

Gibraltar hatte Felsblöcke vor der Küste im Meer versenkt, um vorgeblich ein künstliches Riff zu schaffen. Sie sollen verhindern, vor Gibraltar mit Schleppnetzen zu fischen. Spanien antwortete darauf mit scharfen Zugangskontrollen. Besucher müssen zum Teil stundenlange Wartezeiten in Kauf nehmen. Doch das trifft auch tausende Spanier, die in Gibraltar arbeiten. Die Bürgermeisterin des spanischen Orts La Linea, der vor Gibraltar liegt, kritisiert die Madrider Regierung, obwohl sich Gemma Aranjo sonst hinter ihre Fischer stellt. Da Spanien nun sogar mit einer täglichen Zugangsgebühr von 50 Euro droht, sieht Aranjo viele Arbeitsplätze gefährdet. Andalusien registriert eine Arbeitslosenquote von 36 Prozent. "Das ist nun wirklich ein sinnloser Einfall", sagt sie.

Großbritannien bereitet derweil juristische Schritte gegen Spanien vor und lässt symbolisch Kriegsschiffe in Gibraltar anlegen. Doch in London geht man nur von einem Sturm im Wasserglas aus, der in wenigen Wochen vergessen sein werde.