Syrien: Opposition hackt Regierungsseiten
Trotz Demonstrationverbot trauten sich Tausende am "Tag des Zorns" auf die Straße
Seit Tagen haben sich Syriens Demonstranten vor dem 29. April gefürchtet: "12.000 Journalisten auf der Hochzeit von Will & Kate - mehr als für Libyen, Jemen, Bahrain und Syrien zusammen!" - klickerte es wütend durch Twitter. Oder: "In England der Tag der Hochzeit. In Syrien der Tag der Scheidung - von der Diktatur."
Sorge um mangelnde Medienaufmerksamkeit
Die potentiell mangelnde Medienaufmerksamkeit wurde umso mehr befürchtet, als das Regime ein Demonstrationsverbot erlassen und sich sein brutales Vorgehen in der vergangenen Woche ungleich gesteigert hat: Die südsyrische Stadt Daraa, von der die Proteste Mitte März ausgingen, befindet sich im Belagerungszustand. Den spärlichen und nicht verifizierbaren Nachrichten zufolge, die noch nach außen dringen, ist die humanitäre Situation dort kritisch. Unter anderem kappte die Regierung das Stromnetz - Bäckereien können kein Brot mehr liefern, auch an Trinkwasser und Babymilchpulver soll es mangeln.
Tausende trotz Demonstrationsverbot auf den Straßen
Auf den heutigen "Tag des Zorns" bereiteten sich die Demonstranten dennoch vor. In anscheinend allen wichtigen syrischen Brennpunkten gab es nach der mittäglichen Freitagspredigt Demonstrationen, mit anscheinend nicht unbeträchtlichen Teilnehmerzahlen: Den ersten Videos nach zu urteilen, die diesmal erstmals auch bereits um die Mittagszeit auf Youtube eingestellt wurden, protestieren allerortens mehrere Tausende. In Homs, der drittgrößten syrischen Stadt; in Lattakia; in Raqqah, der vorwiegend von Kurden besiedelten nördlichen Provinz; in Daraya, südwestlich von Damaskus; in Idlib, in der Nähe Aleppos. Auch im zentralen Viertel Midan in der Hauptstadt Damaskus demonstrieren zahlreiche Menschen.
Symbolischer Triumph am "Tag des Zorns"
Welche Eigendynamik und Entschlossenheit der syrische Aufstand mittlerweile erreicht hat, beweist auch, dass Hacker die Seiten der staatlichen Zeitung Tishreen und der des syrischen Parlaments lahm legten und diese mit ihren Videos, Bildern, Freiheitsforderungen füllten, mit der süffisanten Anmerkung: "This website has been hacked."
Dieses Signal ist nicht zu unterschätzen, kommt es doch von einem Volk, für das, wie der Nahostexperte Arnold Hottinger sagte, "das Wort Angst regelrecht erschaffen wurde".