TAZ bedankt sich bei der NSA

Kommentator der TAZ befürchtete deutschen Ostfeldzug in den 1990er Jahren

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"Danke, NSA - Der US-Geheimdienst hat das Kanzleramt schon in der Ära Kohl bespitzelt. Gut so: Alles andere wäre grob fahrlässig gewesen."

Mit diesen Worten betitelt ein TAZ-Autor seinen für eine linksalternative Zeitung ungewöhnlich transatlantischen Kommentar zu den jüngsten WikiLeaks-Veröffentlichungen. Als Kohl ins Kanzleramt eingezogen sei, wäre die Rolle der BRD als friedliche Demokratie noch lange nicht gefestigt gewesen, schreibt der noch etwas junge Autor. Europas Sorge, das wiedervereinte Deutschland könnte in alte Großmachtfantasien verfallen, sei kein Hirngespinst gewesen. Der TAZ-Autor scheint der Kriegsgeneration offenbar weiteren Bedarf an dem erfahrenen Grauen zuzutrauen und sieht in Kohl einen in den 1990er Jahren potentiell deutschnationalen Kriegstreiber.

Ob sich eine Nation, die Atomwaffen (Japan), Biowaffen (Korea) und Chemische Waffen (Vietnam) u.a. gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt hat, an mehr Kriegen als jede andere Nation zuvor beteiligt war, im Kalten Krieg die Welt mehrfach an den Rand des nuklearen Abgrunds drängte und selbst heute noch mit tief verwurzeltem Rassismus im eigenen Land hadert, wirklich als moralisch gefestigter Watchdog empfiehlt, darf unterschiedlich beurteilt werden. Während sich die Kriegs- und Nachkriegsgenerationen für die Vergangenheit schämten und sich die Politik mit Gesten wie in Warschau und Verdun um Aussöhnung bemühte, haben sich die USA noch nie für einen Krieg entschuldigt, Reparationen gezahlt oder sich wenigstens inzwischen dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag für Kriegsverbrecher unterworfen.

Die Wahrnehmung des TAZ-Autors von NATO-Mann Kohl als potentiell deutschnational kriegslüstern dürfte eher subjektiv sein. Den "Ostfeldzug", den der TAZ-Autor halluziniert, planten wohl eher die US-Strategen, die nach Zerfall der Sowjetunion sukzessive militärisch, wirtschaftlich und politisch vorrückten. Die nun so spionagefreudige TAZ war übrigens selbst Opfer von Überwachung. So bespitzelten östliche wie westliche Geheimdienste im Kalten Krieg die Redaktion der TAZ. Wie man seit Februar weiß, überwachen sich die Redakteure dort bisweilen gegenseitig im NSA-Stil. Schlecht so.