Tabu der Drogenpolitik
Einen Tag, nachdem der britische Drogenbeauftragte auf die "künstliche" Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Drogen hingewiesen hatte, wurde er vom Innenministerium seines Amtes enthoben.
Drogenpolitik ist Volkspolitik. Wer gegen die legalen Drogen des Volkes Einwände erhebt und die kaum begründbare Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Drogen, auf deren Besitz und auf den Handel mit diesen schwere Strafen stehen, angreift, verletzt offenbar das stillschweigende Übereinkommen zwischen Regierung und Volk, das high sein will, auch wenn es gefährlich ist.
Einen Tag, nachdem Professor David Nutt, der Drogenbeauftragte der britischen Regierung, in einer Vorlesung gefordert hatte, dass die Drogenpolitik zum Schutz der Menschen an der Gefährlichkeit der Drogen ausgerichtet sein müsse, wurde er schon von der britischen Labour-Regierung geschasst. Hatte Nutt doch gesagt, dass Alkohol und Nikotin gefährlicher seien als Cannabis, LSD oder Ecstasy. Das war offenbar eine Tabuverletzung, die Sanktionen erfordert.
Wie der Guardian und andere Medien berichten, wurde Nutt von Innenminister Alan Johnson aufgefordert, sein Amt als Vorsitzender des Advisory Council on the Misuse of Drugs (ACMD) niederzulegen. "Wir sind weiterhin entschlossen", so heißt es in dem Brief des Ministers an Nutt, "alle illegalen Substanzen zu bekämpfen und ihre schädlichen Folgen für Gesundheit und die Gesellschaft als ganzes zu minimieren." Man sei enttäuscht über die Äußerungen von Nutt, der die Bemühungen konterkariere, "die Öffentlichkeit über die Gefahren von Drogen klar aufzuklären".
Die Reaktion ist ein Witz, schließlich hatte Nutt darauf hingewiesen, dass die Regierung sich etwa im Hinblick auf die Einstufung von Cannabis als gefährliche Droge nicht am wissenschaftlichen Erkenntnisstand orientiere, während man gleichzeitig Alkohol und Nikotin, die weitaus gefährlicher sind, gar nicht in das Drogenmissbrauchsgesetz aufnimmt und sie, abgesehen von einer Altersregelung, ohne jede Einschränkung gehandelt, gekauft und konsumiert werden können.
Nutt zeigt sich enttäuscht von der Entscheidung aus politischen Gründen. Er vermutet, der Innenminister habe so gehandelt, weil Wahlen anstehen: "Aber Politik ist Politik und Wissenschaft ist Wissenschaft. Es gibt gelegentlich einen gewissen Konflikt zwischen beiden", meinte er recht diplomatisch. Richard Garside, der Direktor des Centre for Crime and Justice, der Nutt zu einem Beitrag über eine wissenschaftliche begründete Drogenpolitik eingeladen hatte, sagt, er sei schockiert, wie politisches Kalkül auf einer "ernsthaften und informierten wissenschaftlichen Meinung" herumtrampelt. Wissenschaft, so sei die Botschaft, die von der Entscheidung des Innenministers ausgeht, will man lieber gar nicht erst hören. Es sei ein schlechter Tag für die Wissenschaft und für eine Politik, die sich durch die Kenntnis von Tatsachen begründet.