Terror gegen Zeitung in Deutschland?
Ein Anschlag gegen die Hamburger Morgenpost animierte Medien zu voreiligen Spekulationen. Dabei gibt es bisher weder Hinweise auf Täter noch auf das Motiv
Angekokelte Akten liegen auf dem Rasen, Brandgeruch liegt in der Luft. Das sind Spuren eines Brandanschlags auf das Verlagsgebäude der Hamburger Morgenpost. Nach Angaben des Verlagshauses hätten unbekannte Täter in der Nacht zum Sonntag Steine und einen Brandsatz in das Archiv der Zeitung geworfen. Das Feuer sei schnell gelöscht worden. Einige Akten seien verbrannt, Personen haben sich zum Zeitpunkt des Anschlags nicht in dem Gebäude aufgehalten.
Täter noch unbekannt
Bei der anschließenden Polizeifahndung wurden zwei Männer festgenommen, die zurzeit von der Polizei vernommen werden. Ob sie mit der Tat etwas zu tun haben, ist noch völlig offen. Wie sie ins Visier der Polizei geraten sind, wird auf dem Portal der Hamburger Polizei so beschrieben:
Eine Sofortfahndung mit diversen Funkstreifenwagen führte am Bahnhof Bahrenfeld zur Feststellung von zwei Personen. Als diese die Polizisten bemerkten, liefen sie davon und bestiegen eine S-Bahn. Im Bahnhof Altona konnten die Tatverdächtigen, zwei 35 und 39 Jahre alte Männer, noch in der Bahn vorläufig festgenommen und anschließend dem PK 25 zugeführt werden. Ob und inwieweit sie mit der Brandstiftung im Zusammenhang stehen, wird derzeit von den Ermittlern des LKA 7 untersucht.
Daher ist die in der Stellungnahme der Hamburger Morgenpost verwendete Formulierung, dass "unbekannte Täter" den Anschlag verübten, korrekt. Die Meldung von Spiegel-Online, dass die Polizei zwei Tatverdächtigte festgenommen habe, ist zumindest nach dem Stand der Nachrichten vom Sonntagnachmittag voreilig.
Schließlich sind nach diesen Informationen die beiden Männer der Polizei nur deshalb verdächtigt vorgekommen, weil sie wegelaufen sind. Nun gibt es unterschiedlichste Gründe für Menschen, sich einer Polizeikontrolle entziehen zu wollen. Deswegen kann darauf keineswegs der Schluss gezogen werden, dass sie der Tat verdächtigt sind. Es gilt also schlicht und einfach die Unschuldsvermutung, solange keine weiteren Details auftauchen, die den Tatverdacht verstärken oder bestätigen.
Auch die Hintergründe des Anschlags sind noch völlig offen, wie die Mopo richtig schreibt. "Es gibt noch keine Erkenntnisse, keine Bekennerschreiben oder andere Hinweise“, sagte Polizeisprecherin Karina Sadowsky. Daher ist es auch voreilig, wenn in Medien sofort eine Verbindung zu dem Pariser Anschlag gezogen wird, weil die Mopo einige der Mohammed-Karikaturen am vergangenen Donnerstag unter der Überschrift “So viel Freiheit muss sein!“ nachdruckte.
Zwischen Fakten und Fiktion unterscheiden
In einer nach den dschihadistischen Anschlägen von Paris angespannten Lage ist es umso wichtiger, zwischen Spekulationen und Fakten zu unterscheiden. Das bedeutet eben, deutlich zu machen, dass die Täter und das Tatmotiv unbekannt sind, es keine Bekennerschreiben und verwertbaren Spuren gibt und diese Informationen nicht mit eigenen Spekulationen und Assoziationsketten zu füllen. Es gilt also Fakten von Fiktion zu trennen und die Prinzipien der Unschuldsvermutung in den Mittelpunkt zu stellen.
Schließlich besteht in solchen Zeiten schnell die Gefahr, dass aus der Spekulation, der Abdruck der Mohammed-Karikaturen sei der Grund für den Brandanschlag, manche eine Gewissheit machen. Damit wird ein Bedrohungsgefühl erzeugt, das wiederum von einigen zu Angriffen gegen Moscheen und anderen moslemischen Einrichtungen genutzt werden könnte.
Schon im letzten Jahr wurde auf die Serie solcher Anschläge in einigen Zeitungen hingewiesen. Sonntagnacht gab es erneut einen Angriff auf eine Moschee in Dormagen, die bereits im Dezember letzten Jahres Angriffsziel war.
"Damit hat der Islam nichts zu tun“
Damit wird deutlich, dass für manche die dshihadistischen Anschläge nur ein weiterer Vorwand für ihre Anschläge sind. Es wäre schon ein Erfolg, wenn diese Mechanismen in der Medienberichterstattung offengelegt würden statt in Standardphrasen abzugleiten. So wurde auch der Anschlag auf die Mopo vom Hamburger ersten Bürgermeister Olaf Scholz abstrakt als Angriff auf die Pressefreiheit bezeichnet.
Angegriffen wurde hingegen konkret die Infrastruktur einer Zeitung. Auf der anderen Seite antworten manche Vertreter von Moslemorganisationen mit der Phrase, dschihadistische Angriffe wie in Paris hätten mit dem Islam nichts zu tun. Doch der Islam ist die Summe der Praktiken, die Menschen ausüben, die sich auf diese Religion beziehen.
Mordaktionen wie sie in den vergangenen Tagen in Paris und in viel größeren Ausmaß in Nigeria verübt wurden, wo Dschihadisten eine ganze Kleinstadt niederbrannten, zeigen, dass solche Taten durchaus zur Praxis bestimmter Moslems gehören. Was den Anschlag auf die Mopo betrifft, ist hingegen die Formulierung, damit hat der Islam nichts zu tun, nach dem aktuellen Informationstand völlig korrekt.