Tunesien: Die gleichen Mörder?

Der am Donnerstag ermordete linke Abgeordnete Mohamed Brahmi wurde offenbar mit der gleichen Waffe ermordet, wie der populär Sprecher der tunesischen Volksfront Chokri Belaïd im Februar

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Die Schüsse auf den am gestrigen Donnerstag vor seinem Haus ermordeten linken tunesischen Oppositionspolitiker Mohamed Brahmi wurden mit der gleichen Waffe abgegeben, mit der am 6. Februar diesen Jahres einer der Sprecher der tunesischen Volksfront, Chokri Belaïd, getötet wurde. Das berichtet die tunesische Nachrichtenagentur tap. Auch Mohamed Brahmi, der Abgeordneter der Verfassungsgebenden Versammlung war, gehörte der Volksfront, einem linken Parteienbündnis, an.

Der tunesische Gewerkschaftsdachverband UGTT hatte für den heutigen Freitag zu einem Proteststreik wegen des erneuten Mordes gegen einen Linken Politiker aufgerufen. Am Nachmittag sammelten sich in der Landeshauptstadt Tunis tausende Demonstranten.

Die von der islamistischen Ennahda Partei dominierte Regierung – 31 Prozent der Wähler hatten sie 2011 bei den letzten Wahlen unterstützt – hat sich anders als im Falle Belaïds beeilt, den Mord zu verurteilen, und kündigte an, Brahmi werde als Märtyrer ein Staatsbegräbnis erhalten.

Dennoch werden die regierenden Islamisten indirekt von den Protestierenden für den Mord verantwortlich gemacht. Entsprechend wird der Rücktritt der Regierung gefordert, der man die Aufklärung der Morde nicht zutraut.

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Portrait des ermordeten Chokri Belaïd auf dem Weltsozialforum in Tunis im März 2013. (Bild: wop)

Nizar Soussi, Anwalt der Familie Chokri Belaïd, hatte im April gegenüber Telepolis die Ansicht geäußert, dass die Regierung den Mord herunterspielen wolle. Regierungschef Ali Larayedh, der zur Zeit des Mordes an Belaïd noch Innenminister gewesen war, sei mehrfach vom Untersuchungsrichter vorgeladen worden, und habe jedes Mal sein Erscheinen und eine Aussage verweigert. Er hatte zu den Vorwürfen befragt werden sollen, der Hauptverdächtige in der Mordsache Belaïd sei bereits Anfang März von Algerien an Tunesien ausgeliefert aber der Ermittlungsrichter nicht informiert worden. Auch habe das Parlament keinen Untersuchungsausschuss eingerichtet.

Viele Beobachter gehen davon aus, dass die Mörder unter den Salafisten zu suchen sind. Diese sind nicht direkt mit der islamistischen Regierungspartei Ennahda verbunden, werden aber nach Aussagen linker Politiker von diesen geduldet.

So weist Jilani Hammami, Sprecher der Tunesischen Arbeiterpartei, der stärksten Mitgliederorganisation der Volksfront, darauf hin, dass am 4. Dezember 2012 in Tunis Salafisten gemeinsam mit der Ennahda-Miliz eine große Versammlung des Gewerkschaftsdachverbandes UGTT angegriffen haben. Die Regierung würde gegenüber den zahlreichen bewaffneten islamistischen Gruppen die Augen verschließen.