Virtuelle Welten heilen
Social Media hat die heutige Welt ganz ordentlich polarisiert. Vielleicht können in Zukunft virtuelle Welten helfen, diese Kluft wieder ein wenig zu schließen
Es ist so ein bisschen wie mit Uber und Lyft. Da kommen neue Services nicht zuletzt durch das Internet auf, die eine billigere Alternative zum eigenen Auto propagieren, und dass dadurch vielleicht auch die eigene Ökobilanz sich verbessert, wenn der PKW in der heimischen Garage stehenbleibt. Und dann das: Uber und Lyft Fahrer stehen für das neue Prekariat. Arbeiten bis zum Abwinken und trotzdem auf keinen grünen Zweig kommen, Uber selbst macht in der Bilanz Miese. Und dann stellt man auch noch fest, dass durch die Freizeittaxis 70 Prozent mehr Abgase erzeugt werden, als wenn man sich mit dem eigenen Auto von A nach B bewegen würde.
Das hat erst einmal nicht viel mit Social Media zu tun. Außer dass die eine oder andere Hoffnung mit dem Aufkommen der Plattformen ähnlich in den Graben gefahren sind. Galten Facebook, Twitter und Co. anfangs noch als wunderbare Möglichkeit, dass alle mit allen unkompliziert und sehr nahe kommunizieren sollten, ist man heute mit allen Fake News und Trollfarm-Zuständen schon ein wenig weiter in seiner Einsicht: Da ist eine Menge Dreck in den Kanälen gelandet, und das hat uns nicht gerade gut getan. Es polarisiert, ist nachgeradezu genau deshalb in die Welt gesetzt worden, und vergiftet das Kommunikationsklima in einem Maß, wie es die ganze Uber- und Lyft-Flotte in einem einzigen Hinterhof zusammen nicht tun könnte.
Vielleicht führt uns ja da das Aufkommen von Virtuellen Welten aus dem Social-Media-Jammertal. User, die sich in einem Avatar und in einer künstlichen Welt bewegen, kommen alle miteinander als Fremde und mit ähnlichen Möglichkeiten in einer neuen Heimat auf sich zu. Da könnte es etwas schwerer sein, auf der Plattform Fremdenhass aufzubauen oder merkwürdiges Geschwurbel, das angeblich wahr sein soll, von sich zu geben. Und weil die Struktur einer virtuellen Welt auf Begegnung und nicht auf zentral gesteuerte Aufmerksamkeit ausgerichtet ist, wäre ein Clickbait auch sicher nicht so gut implementierbar.
Wir erinnern uns: Second Life ging vor eineinhalb Jahrzehnten durchaus hoffnungsvoll an den Start, ist aber seitdem deutlich in den Schatten getreten. Vorhanden ist die Plattform aber noch. Klar hat sich rückblickend das Interesse einfach dadurch verloren, dass eben immer nur Avatare miteinander herumgeruckelt sind und in einer "echten" Facebook-Welt "echte" Menschen etwas von sich geben. Aber eben: Während man auf Second Life in Kontakt miteinander tritt, hat die Social-Media-Welt auf "ich sag/zeig Euch jetzt mal was" gesetzt. Und damit werden immer die Zuhörer auf passiv gestellt, entweder zum Schweigen gebracht oder abgestoßen.
Natürlich macht eine virtuelle Welt den Sommer auch nicht grün, und diese Idee ist zuerst einmal hirnrissig. Zum einen lassen sich auch Naziparolen in Second Life von sich geben, zum anderen geht es in virtuellen Welten ja auch um das Zeigen seines möglichst tollen Avatars. Aber wenn man sich den Gedanken mal ein wenig sacken lässt, denkt man sich vielleicht doch: Ha, ja, vielleicht mal eine eine Erholungspause von der ewigen Rechthaberei auf Twitter und den Duckfaces in Instagram. Ich tauche mal in eine Welt ein, in der alle wieder Neuankömmlinge sind und vielleicht das tun wollen, was wörtlich angelegt war: being social, sich freundlich austauschen.
Das wäre ja mal einen Versuch wert. Wenn es auch nur das übliche Blümchendenken war, dann hat man es wenigstens versucht, und die Welt ist dadurch hoffentlich nicht noch getrennter geworden.