Welt im Nachbau

Derzeit gibt man die Welt da draußen ein wenig auf. Deshalb baut man sie auch im Computer nach. Geht einfach besser damit

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Microsoft und Facebook fangen es an. OK, Google hat mit Google Earth auch schon ein bisschen damit angefangen. Und derzeit ist man froh um die 3D-Sicht von Gebirgen und Städten, durch die man browsen kann. Menschenleer wie das Original derzeit, aber immerhin. Tut der Seele gut.

Microsoft wiederum betritt mit dem Planteary Computer eine neue Stufe, denn darin kann man nicht nur mit der Maus rund um den Eifelturm fliegen, man kann auch berechnen, was für Pflanzen darum auf dem Champ de Mars daneben wachsen könnten und wie das der Umwelt und der Gesundheit der Menschen gut täte.

Microsoft chief environmental officer Lucas Joppa bezeichnet den Erdcomputer als eine Art von "Geospatial Decision Engine", die sich wie eine Suchmaschine nutzen lassen soll, um Entscheidungen zur Verbesserung des Öko- und Klimasystems des Planeten und damit der Gesundheit seiner Bewohner zu treffen. Die vorhandenen Daten, auf denen diese Simulationen basieren, spielen einen besseren Globus durch. Wenn wir scheinbar schon konsequent in das Gegenteil hineinsteuern und immer mehr Ressourcen verbrauchen, damit Klima und Umwelt schädigen, dann können wir zumindest noch in der Theorie sehen, wie wir uns Gutes tun könnten.

Oder auch nicht, es kann ja auch sein, dass die Berechnungen zeigen, wie sehr wir schon in der Mülltonne hausen. Vielleicht kuckt der erste Poweruser des Planetary Computer nach einer intensiven Session hoch, schluckt trocken, holt sich was Stärkeres als Bier und kauft sich danach einen alten Diesellaster. Weil es eh schon egal ist. Und dann lässt er einfach den Wasserhahn laufen und geht ins Bett.

So ähnlich kann es auch den Nutzern einer versteckten Bot-Plattform von Facebook gehen. Die WES, also die Web Enabled User Interaction Simulation, an der Facebook schraubt. Das ist nichts anderes als eine Facebook-Simulation ohne menschliche User, die sich im Wesentlichen von Bots nutzen lässt und nachspielt, damit der Social-Media-Konzern ein wenig mehr über Scammer und Trolls verstehen kann. Denn Bots sollen darauf losgelassen werden, so wie das wohl auch im "richtigen" Facebook der Fall ist.

Na, ich würde sagen, liebes Facebook: Dann lernt mal schön damit. Es kann natürlich auch hier sein, dass die Nachbildung der Welt vor allem eines zeigt, nämlich dass wir längst in der schwarzen Socke damit stecken. Auch hier treffen wir gerne den bleichen Program Manager in der Bar, der nach einer ersten kompletten Simulationsrunde verstanden hat, wie Bots und Konsorten das Produkt komplett übernehmen und Menschen mehr oder weniger als kleinen Unfall im Getriebe behandeln. Anders kann ich mir die vielen Fotos über Partys und Essen, über Trump und ein angeblich von Chinesen gezüchtetes Virus nicht erklären.

Aber immerhin kann das alles dann noch einmal schneller simuliert werden. So wie Uber auch Fahrzeuge ohne Fahrer in den Verkehr einschleusen will, um den Fluss oder Stau desselben vorher zu sagen. Als ob man den nicht schon so kennen könnte. Aber hey, so eine richtig schöne Simulation kann vielleicht das, was man von guten Beratern sagt. Die verkaufen einem eh nur das, was man sowieso schon weiß, aber auf schönen Slides und mit gutem Kaffee. Das überzeugt besser.