Wenn die Arbeitslosenrate sinkt und die Zahl der "wirtschaftlich Inaktiven" steigt
Zahlen trügen, wie man weiß
Eigentlich könnte die Labour-Regierung aufatmen und sich wieder bessere Chancen bei den anstehenden Wahlen ausrechnen. Die Arbeitslosenzahlen sind nicht weiter gestiegen, wovon man allseits ausgegangen ist, sondern so stark wie schon lange nicht mehr zurückgegangen. Um mehr als 32.000 ist im Februar die Zahl derjenigen, die Arbeitslosengeld beziehen, auf 1,59 Millionen zurückgegangen.
Auch die Zahl der Arbeitslosen, die kein Arbeitslosengeld beantragt haben, ist um 33.000 auf 2,45 Millionen gesunken. Damit steht die Arbeitslosenrate bei 7,8 Prozent, allerdings nur 0,1 Prozent weniger als im letzten Vierteljahr – aber trotzdem doch erstaunlich viele, wenn man die Diskussion hierzulande betrachtet, wo Hartz-IV als soziale Hängematte betrachtet wird, die Arbeitslosigkeit fördert, weil dadurch "anstrengungsloser Wohlstand" finanziert würde. Schließlich gibt es in Deutschland, je nach Zählung, 8,7 oder 7,9 Prozent (ILO) Erwerbslose.
Aber mit den Zahlen ist es eine solche Sache. In Großbritannien ist zwar die Zahl der Arbeitslosen zurückgegangen, doch seltsamerweise die der Beschäftigten ebenfalls, nämlich um stattliche 54.000. Und auch die Langzeitarbeitslosen (mehr als 1 Jahr) ist gegenüber dem letzten Vierteljahr um 61.000 gestiegen. Allerdings gibt es auch eine Million Teilzeitarbeiter, die gerne eine Volzeitstelle hätten, aber keine gefunden haben. Aber es gibt ja nicht nur die Arbeitslosen, sondern auch die "wirtschaftlich Inaktiven", wie sie in Großbritannien genannt werden.
Dazu gehören besonders viele junge Menschen, die noch nie gearbeitet haben, dazu gehören auch Studenten ebenso wie Kranke oder die Menschen, die aufgehört haben, nach Arbeit zu suchen. 8,15 Millionen Menschen sind wirtschaftlich inaktiv, ein Rekord, das ist etwa ein Viertel der Menschen im arbeitsfähigen Alter. Die wirtschaftlich Inaktiven haben besonders stark zugenommen, nämlich um fast 150.000, darunter viele junge Menschen, die vor der Arbeitslosigkeit ins Studium flüchten, oder eben auch solche, die aufgrund der enorm gestiegenen Zahl der Bewerber keinen Studienplatz gefunden haben – auch wenn die 100.000 zusätzlichen Studienanfänger die Masse der wirtschaftlich Inaktiven entlastet haben, weil damit die Zahl der Studenten auf 2,3 Millionen angestiegen ist. Die Zahl der Neets (not in education, employment or training) "Kippers" (kids in parents' pockets) wächst ebenso wie die der "boomerang children", die wieder Zuhause einziehen.
Rechnet man die wirtschaftlich Inaktiven und die Arbeitslosen zusammen, so haben 10,6 Millionen Briten – 28 Prozent der Menschen im arbeitsfähigen Alter - keine Arbeit oder suchen bzw. wollen keine. Die Beschäftigungsquote lag im Januar bei 70,2 Prozent. Für Deutschland gibt es keine aktuellen Werte, hier lag die Quote 2007 bei 69,4 Prozent. Von den 8 Millionen wirtschaftlich Inaktiven sagen nur 2,3 Millionen, sie würden einen Job suchen. Theresa May, die arbeitspolitische Sprecherin der Konservativen, moniert, dass viele Menschen aufgegeben hätten, Arbeit zu suchen: "Ein Fünftel der Menschen im arbeitsfähigen Alter will keine Arbeit."
Da könnte man wie hierzulande auch sagen, dass man einfach nur alle Leistungen des Sozialstaats kürzen müsste, um die Arbeitsfähigen, aber nicht Arbeitswilligen auf den Arbeitsmarkt zu treiben. Wie absurd die Vorstellung ist, könnte daran deutlich werden, sich einmal vorzustellen, wie in Großbritannien plötzlich zusätzliche Arbeitsplätze für 10 Millionen Menschen oder auch nur für 5 Millionen entstehen sollen.
Schon in der Frühzeit des Kapitalismus gab es das Lumpenproletariat, gerne schon auch mal von den Linken und den Gewerkschaften schief als Faulenzer und Solidaritätsunwillige angeschaut. Gleichwohl muss sich jede Gesellschaft überlegen, wie sie mit der mehr oder weniger großen Schicht derjenigen, die keine Arbeit finden, umgehen will, wobei dazu auch immer manche gehören, die keine Arbeit finden und sich irgendwie so durch das Leben schlängeln wollen oder in eine kriminelle Karriere gelangen, die freilich auch für andere interessant ist, die sich dann bei den "Leistungsträgern" einschmuggeln, aber auch wie die Steuerhinterzieher zu den sozialen Schwarzfahrern gehören.