Wider den Satanismus

Wie Polens bekanntester Metal-Musiker im Parlamentswahlkampf zu einem Politikum wurde

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Eigentlich hat Adam Darski die besten Vorraussetzungen, um ein Liebling der polnischen Nationalkonservativen zu sein. Er ist katholisch erzogen worden, studierte in Danzig Geschichte sowie Latein - zwei Fächer also, die bei den selbsternannten "wahren Polen" einen besonders hohen Stellenwert haben - und absolvierte danach noch eine Zusatzausbildung zum Museumskurator.

Seine große Liebe ist jedoch die Musik, welcher die polnische Rechte auch nicht abgeneigt ist, weshalb sich der 1977 in Gdingen geborene Darski nicht nur gelegentlich als Musikjournalist betätigt, sondern neuerdings auch Juror der auf einem niederländischen Format basierenden Castingshow The Voice of Poland ist, die seit dem 3. September vom öffentlich-rechtlichen Sender TVP 2 ausgestrahlt wird.

Doch wie sich in den letzten Wochen zeigte, ist Darski alles andere als ein Liebling der polnischen Nationalkonservativen. Als eine "Schande", als einen weiteren Beweis für den "Verfall der Sitten", ja sogar als einen "Kampf gegen die polnische Kultur" bezeichnet Polens Rechte die aktuelle Fernsehpräsenz Darskis. Und dies aus einem einzigen Grund: Darski ist für die Nationalkonservativen nichts weniger als der "fleischgewordene Satan".

Diesen teuflischen Titel hat Darski, zumindest aus Sicht der polnischen Nationalkonservativen, nicht grundlos. Denn besser bekannt ist Darski unter dem Künstlernamen "Nergal", den er dem babylonischen Gott der Unterwelt entnommen hat, mit dem er als Sänger und Gittarist der von ihm 1991 mitbegründeten Death Metal-Band Behemoth auftritt. Dies ist zwar eine Musikrichtung, die weder die polnischen noch die internationalen Hitparaden dominiert, doch bei Metal-Fans hat es die Band weltweit zu einem hohen Bekanntheitsgrad geschafft. Das letzte Behemoth-Album schaffte 2009 auch den Sprung in die deutschen und die US-amerikanischen Charts.

Damit gehört Nergal alias Adam Darski zu den wenigen polnischen Musikern, die es auch im Ausland zu einem gewissen Ruhm gebracht haben. Mit diesem Argument begründen Darskis Verteidiger auch seine umstrittene Teilnahme an der Castingshow. Doch die Nationalkonservativen lassen dies nicht gelten und verweisen dabei auf Darskis religionskritische Haltung. Sie werfen ihm seine satanistischen Texte vor, die vor allem die frühen Platten von Behemoth dominierten, und einen Auftritt von 2007, mit dem er endgültig zum Kulturfeind Nummer 1 der polnischen Nationalkonservativen wurde. 2007 zerriss Nergal bei einem Konzert die Bibel und bezeichnete dabei die Kirche als die "blutrünstigste Sekte des Planeten."

Skandal im öffentlichen-rechtlichen Fernsehen

Was darauf folgte, waren jahrelange Auseinandersetzungen vor Gericht. Zuletzt im August dieses Jahres musste sich Adam Darski wegen Verletzung religiöser Gefühle vor der Justiz verantworten. Doch wie schon bei den Verfahren zuvor sprachen die Richter auch diesmal Darski frei. Da er die Bibel auf der Bühne zerrissen hat, war es eine "künstlerische Handlung", hieß es in der Begründung.

Endgültig provoziert fühlten sich die Nationalkonservativen jedoch, als Darskis Teilnahme bei "The Voice of Poland" bekannt wurde. Der Verband katholischer Journalisten protestierte bereits am 29. August gegen "die Promotion des Satanismus bei TVP" und sammelt seitdem auf seiner Internetseite Unterstützungsunterschriften. Und auch einige polnische Bischöfe nahmen sich der Gelegenheit an. "Das Engagement eines bekennenden Satanisten, Beleidigers, eines Menschen ohne die geringste Kultur beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen, übertrifft alle Grenzen des Anstands", schrieb Bischof Wieslaw Mering, der innerhalb der polnischen Bischofskonferenz für die Kultur zuständig ist, in einem Brief an die Führung des Staatsfernsehens . Zudem rief Mering gemeinsam mit anderen Bischöfen die Gläubigen dazu auf, aus Protest keine Gebühren mehr zu zahlen.

Nicht untätig in der Causa Darski ist aber auch die nationalkonservative Recht und Gerechtigkeit von Jaroslaw Kaczynski. Mit ihren Vertretern im TVP-Programmgremium versuchte die PiS vergangene Woche, Darski abzusetzen. Zudem arbeitet die Parlamentsfraktion neuerdings an einer Gesetzesnovelle, die dem Zuschauer einen größeren Einfluss auf die Programmgestaltung des Staatsfernsehens ermöglichen soll.

Doch bei allem Verständnis, welches man durchaus aufbringen kann, ist die Empörung der Nationalkonservativen mit Vorsicht zu genießen. Am 9. Oktober werden die Polen ein neues Parlament wählen und die Angelegenheit Darski ist nur noch zu einem Thema verkommen, mit dem man im Wahlkampf punkten möchte. Dies merkt man vor allem an den Kommentaren der mit der PiS sympathisierenden Publizisten und ihrer Politiker. Nergals Fernsehpräsenz ist nur ein weiterer Beweis für die antipolnische Politik der regierenden Bürgerplattform von Donald Tusk, lautet drastisch zusammengefasst das Fazit der unzähligen Texte, die im konservativen Lager zum Thema Darski und TVP in den letzten Wochen erschienen.

Was den Nationalkonservativen jedoch fehlt, ist jegliche Selbstreflexion. Denn wie die letzten Wochen zeigten, hat die ganze Diskussion vor allem einem genützt: Adam Darski selber. Seriöse Zeitungen berichten über die Proteste, Magazine wie die polnische Newsweek veröffentlichen Interviews mit ihm und die Boulevardmedien stürzen sich auf sein Privatleben. Eine bessere Werbung hätte Darski sich nicht wünschen können.

Und dessen scheinen sich auch einige polnische Bischöfe bewusst zu sein. Um Darski nicht noch mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken, beteiligen sich einige Oberhäupter der katholischen Kirche einfach nicht an den Protesten. Und wie es scheint, ist es eine kluge Entscheidung, denn der polnische Fernsehzuschauer hat sein Urteil offenbar längst gesprochen. Von allen drei Castingshows, die momentan im polnischen Fernsehen laufen, hat "The Voice of Poland" die niedrigsten Einschaltquoten.