Widerstand gegen Ungarn-Sanktionen
Dass Ungarn bestraft werden soll, während Defizitziele für Spanien aufgeweicht wurden, stößt auf Widerstand in der EU
In der EU bildet sich eine Front heraus, die sich gegen die beschlossenen Sanktionen ausspricht, die Ungarn treffen sollen. Polen, Österreich, Großbritannien, Tschechien, Lettland und Bulgarien wenden sich gegen die am Dienstag beschlossenen Strafmaßnahmen, ist aus Kreisen der EU-Kommission zu vernehmen. Die EU-Finanzminister hatten sich darauf geeinigt, Zahlungen aus den EU-Kohäsionsfonds teilweise ab dem 1. Januar aufzuheben. Sollte Ungarn die geforderten Korrekturen am Haushalt nicht bis zum 22. Juni vornehmen, würden die Zahlungen in einer Höhe von etwa einer halben Milliarde Euro ausgesetzt.
Tatsächlich hatten beim Ecofin-Treffen schon mehrere Staaten deutlichen Widerspruch gegen das bisher beispiellose Vorgehen protestiert. Sehr deutlich wurde dabei die österreichische Finanzministerin Maria Fekter. Sie hatte dafür plädiert, die Entscheidung auf den Sommer zu verschieben. Mit Fekter hatten auch andere Länder auf Spanien verwiesen. Das Land erfüllt seit Jahren die Defizitvorgaben nicht. Im vergangenen Jahr hatte Spanien ein Haushaltsdefizit von 6% versprochen, doch nun sind es 8,5%. Schon im Vorjahr hatte das Land seine Versprechen nicht eingehalten.
Doch im Fall der Iberer wurde auf dem gleichen Treffen in Brüssel das Defizitziel für 2012 als Belohnung sogar noch aufgeweicht. Statt 4,4% soll Spanien das Defizit nun nur auf 5,3% senken. Fekter sagte: "Im Hinblick auf den Druck, der auf Ungarn ausgeübt wird, habe ich das Gefühl, hier wird mit zweierlei Maß gemessen." Sie führte auch an, dass man schließlich auch bei Spanien "nicht gleich mit Sanktionen aufmarschiert" sei.
Tatsächlich ist der Vorgang auch deshalb unverständlich, weil der neue konservative Ministerpräsident auch noch für sein Vorgehen belohnt wurde. Schließlich hatte Mariano Rajoy auf dem vergangenen EU-Gipfel das Defizitziel eigenmächtig aufgekündigt. Er habe das mit niemandem abgestimmt, sagte er stolz. Dabei hatte er kurz zuvor Merkels Fiskalpakt unterschrieben, mit dem die Mitgliedsstaaten zur Haushaltsdisziplin verpflichtet werden sollen. Rajoy macht damit deutlich, was man in Madrid von dem Pakt hält.
Es ist offensichtlich, dass Ungarn nicht für sein Defizit sanktioniert wird, sondern dass dies nur als Vorwand dient, um die unbequeme Regierung abzustrafen. Ungarn hat sein Defizit 2011 nach eigenen Angaben auf 3,5% gesenkt. Ohne Buchungstricks waren es nach Schätzungen der EU-Kommission aber 6%. Was Brüssel in Ungarn kritisiert, dass mit dem Griff in die Rentenkasse und Sondersteuern das Defizit aufgehübscht wurde, wird aber im Fall Portugals gelobt. Denn Lissabon hätte ohne die Umbuchungen 2011 sogar ein Haushaltsdefizit von über 8% ausgewiesen, musste sogar die Regierung des Landes einräumen.
Tatsächlich sind die Sanktionen gegen Ungarn nach dem Aufweichen der Defizitziele für Spanien kaum noch zu rechtfertigen kann. EU-Währungskommissar Olli Rehn hatte argumentiert, jedes Land müsse im vereinbarten Jahr die Maastricht-Kriterien erfüllen. In Spanien sei deshalb "entscheidend, dass das Ziel für 2013 erreicht wird". Für Ungarn sei das Ziel, die 3%-Grenze wieder einzuhalten, schon für 2011, für Belgien 2012, aber für Spanien und viele andere erst für 2013 festgelegt worden.
Am gestrigen Nationalfeiertag nutzte nun der rechte ungarische Ministerpräsident die Sanktionen, um erneut populistisch Stimmung zu machen. "Wir Ungarn sind das Volk der Freiheitskämpfer", hat Viktor Orbán vor gut 200.000 Anhängern in Budapest erklärt. Er warnte vor einem "Diktat" der "Eurokraten" in Brüssel. "Wenn wir uns nicht besinnen, dann wird auch Europa zur Kolonie des modernen Finanzsystems." Ungarn werde kein "Kolonie" und kein Land "zweiter Klasse". Er forderte auch eine "Gleichbehandlung". Für Ungarn müssten die gleichen Maßstäbe wie für andere Länder gelten.
Am Abend stürmten mehrere hundert Rechtsextremisten das Budapester Bank Center, wo auch der Internationale Währungsfonds (IWF) sein Büro hat. Gehisst wurde auf einem Balkon auch die mittelalterliche Arpad-Fahne, die vor 1945 auch von Faschisten benutzt wurde. Hinter der Aktion soll die Jugendbewegung 64 Burgkomitate gestanden haben, die der drittstärksten Kraft im Parlament, der rechtsextremen Parlamentspartei Jobbik (Die Besseren) nahesteht. Unter den Eindringlingen war auch der Jobbik-Abgeordnete Tamas Sneider.