Wie Liberale und Linke den Säkularismus verraten
Schnell ist der Vorwurf der Islamophobie in der Welt, wenn auch der Islam in Gegenwart und Vergangenheit kritisiert wird
Hat die Wochenzeitung Kontext, die am Samstag immer der Taz beiliegt, eine neue Form der "Islamophobie" entdeckt? Fast scheint es so, wenn man den Artikel Angst vor Spenden in der aktuellen Ausgabe liest. Da beschreibt der Vorsitzende eines islamischen Vereins in Stuttgart, wie er einmal für Geflüchtete spenden wollte und nicht gleich mit offenen Armen aufgenommen wurde:
"Im Spätsommer wollten seine Gemeindemitglieder einen Lkw voller Kleider und Sachspenden in der Flüchtlingsunterkunft beim Bürgerhospital abliefern. Dort sei man sehr freundlich gewesen, habe sie aber wieder weggeschickt: 'Aus Sicherheitsgründen', erzählt er und lacht etwas gequält: 'Die dachten wohl, da sei ein Bombengürtel drin.'"
Tatsächlich machte die islamische Gemeinde damit nur eine Erfahrung, die in den Zeiten als Deutschland scheinbar ein einig Land von Helfern schien, viele machen mussten. Ihnen wurde gesagt, was auch vom Bürgerhospital in der Kontext zitiert wird. "Wir sind keine Altkleidersammlung, wo man Klamotten, die man nicht mehr braucht, abladen kann."
Damit hätte es sein Bewenden haben können. Schließlich werden in der nachrichtenarmen Zeit zwischen den Jahren schon mal Nichtmeldungen zu größeren Artikel. Aber die Autorin ließ es eben nicht damit bewenden. Übergangslos finden sich neben der Stellungnahme des Bürgerhospitals die kryptische Schlussfolgerung: "Es ist nicht immer einfach mit der Flüchtlingshilfe. Vor allem, wenn sie von Muslimen organisiert wird."
Damit wird die Position der islamischen Gemeinde übernommen, die in der Zurückweisung der Spende einen Affront gegen den Islam sah. Dabei wird aber in dem Artikel die kurze Stellungnahme des Bürgerhospitals überhaupt nicht entkräftet, dass es eben nur um die Zurückweisung nicht gebrauchter Kleidung ging und dass davon sehr viele Spender betroffen waren. In dem Artikel wird dann noch beschrieben, wie wichtig dem islamischen Verband das Spenden für Geflüchtete sei und wie unfair es dort empfunden werde, dass der Vereinsname nicht genannt wird, wenn es um Flüchtlingsspenden geht.
Brauchen Geflüchtete Spenden von religiösen Verbänden?
Was man aber in dem langen Artikel vermisst, ist eine kritische Frage zum Versuch, von welcher Seite auch immer, sich über Flüchtlingsspenden ins gute Licht der Öffentlichkeit zu setzen. Nun ist das das Ziel aller öffentlich wirksamen Verbände und die Presse- und Öffentlichkeitsarbeiter werden genau dafür bezahlt.Daher kann man nicht den islamischen Verein dafür kritisieren, dass er sich auch über die Flüchtlingshilfe in ein gutes Licht rücken will.
Von einer Wochenzeitung mit aufklärerischer Perspektive hätte man aber schon erwarten können, dass sie im Artikel kritisch hinterfragt, ob Geflüchtete überhaupt Spenden von religiösen Verbänden brauchen. Soll es jetzt einen Wettbewerb der verschiedenen konfessionellen Vereine bei den Spenden geben? Und geht dabei wirklich nur um Sympathiewerbung? Soll nicht mit der Spende auch gleich ein Anspruch auf das Seelenheil der Geflüchteten ausgedrückt werden?
Dann wären die christlichen Verbände für die syrischen Christen zuständig und die islamischen Verbände haben auch deshalb ein so großes Interesse als Spender genannt zu werden, weil viele der Geflüchteten offiziell den islamischen Glauben haben. Aber fängt nicht schon hier das Problem an?
Nicht nur von Rechten wird die Mehrheit der Geflüchteten als Moslems bezeichnet. Bei Pegida und Co. ist damit natürlich eine Ablehnung und Ausgrenzung verbunden. Auch verschiedene Regierungen ost- und mitteleuropäischer Staaten haben schon abgelehnt, Moslems als Flüchtlinge aufzunehmen. Diese Haltung wird zu Recht als Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen bezeichnet. Nun ist das ganz gewiss nicht die Intention des Kontext-Artikels.
Im Gegenteil: Der steht für eine weitverbreitete Haltung im linksliberalen und antirassistischen Milieu, den Rechten dadurch entgegen zu treten, in dem man das, was die ablehnen, befürwortet. Das führt dann zu einer fast unkritischen Berichterstattung über Aktivitäten islamischer Verbände. Wenn die schon von rechts so angegriffen werden, wollen wir erst gar keine Kritik üben, ist die Devise. Die Haltung ist aber fatal, weil sie letztlich von den gleichen Prämissen wie die Rechten ausgeht und nur zu entgegengesetzten Schlussfolgerungen kommt.
Ein Großteil der Geflüchteten sind Moslems, darüber sind sich beide Seiten einig. Nur für die Kontext-Redakteurin folgt daraus die Konsequenz, dass das Engagement islamischer Verbände in der Flüchtlingshilfe viel stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden muss. Dabei werden alle Geflüchteten, die vielleicht als Konfession Moslem angeben, umstandslos vereinheitlicht. Es wird dann sofort dafür ausgegangen, dass sich islamische Verbände ihrer annehmen müssen.
Dabei wird unterschlagen, dass viele Menschen, die vielleicht die islamische Konfession haben, denkbar unterschiedlich sind. Viele verstehen sich gar nicht als Moslem, wollen zumindest nicht von einem islamischen Verein vertreten werden. Aber gerade diese Individualität, die ja beim Asylrecht der Schlüsselbegriff ist, geht verloren, wenn man diese Religionsklassifizierungen einfach übernimmt.
Ausgeblendet wird auch, dass es unter den Geflüchteten viele Menschen gibt, die aus verschiedenen Gründen vor islamistischen Menschenrechtsverletzungen flüchteten. Das kann der IS sein, das kann aber auch der Tugendterror islamischer Regierungen in Iran, im Irak oder der Türkei sein. Schwule, Frauenaktivistinnen, nonkonforme Künstler und Linke werden nicht nur vom IS und al-Qaida verfolgt.
Haben die überhaupt Interesse, von einem islamischen Verband Spenden zu bekommen? Diese Frage taucht in dem Kontext-Artikel überhaupt nicht auf. Auch nicht die Schlussfolgerung, dass alle Spenden an eine einheitliche Instanz, am besten eine Hilfsorganisation übergeben werden sollen und die Spender gar nicht gegenüber den Flüchtlingen in Erscheinung treten.
Das würde das Konzept vieler Vereine, Sympathiewerbung durch Spenden zu bekommen, vielleicht erschweren, wäre aber der beste Weg, die Geflüchteten vor einem Wettlauf um die konfessionelle Spendenbereitschaft zu bewahren.
Religion raus aus dem Kindergarten
Eigentlich müsste eine solche säkulare Position zu den Essentials von Linken und Liberalen gehören. Doch in Zeiten, in denen unter dem Banner des christlichen Abendlandes gegen den Islam demonstriert wird, scheinen viele aus dem linken und liberalen Milieu den Kampf um den Säkularismus vergessen zu haben. Wie schnell ist der Vorwurf der Islamophobie in der Welt, wenn auch nur der Islam in Gegenwart und Vergangenheit kritisiert wird.
Da argumentieren auch Linke und Liberale, dass für viele Menschen der Koran ein heiliges Buch ist und ihnen Satire und kritische Auseinandersetzung mit dem Buch nicht zuzumuten sei. Das aber ist der Verrat der Linken und Liberalen am Säkularismus. Damit lassen sie auch die Menschen im Stich, die von den Religionen dieser Welt, in letzter Zeit besonders unter der Ägide des Islam, verfolgt, gedemütigt und sogar mit dem Leben bedroht werden.
Ja, es ist auch Glaubenden zuzumuten, dass deren heiligen Schriften in die historische Realität geholt werden und dabei gar nichts Heiliges darin entdeckt wird. Besonders fatal ist, dass der Verrat vieler Linken am Säkularismus den Rechten in die Hände spielt. Das kann man an der Reaktion aus einem Vorbericht zu einer Studie über den Einfluss von Salafisten auf Kindergärten in Österreich deutlich sehen.
Sicherlich gibt es zu der Repräsentativität der Umfragen noch Klärungsbedarf. Doch der Taz-Korrespondent von Österreich Ralf Leonhard schreibt zu Recht, dass man mit der Kritik an den Untersuchungsmethoden nicht um die Prüfung der Vorwürfe herum kommt. Für Linke und Liberale gibt es aber noch eine andere Frage: Wo bleibt ihre Forderung nach einer säkularen Bildung, die impliziert, dass sämtliche Glaubensrichtungen in Kitas und Schulen nichts verloren haben?
Statt sich also an der Diskussion zu beteiligen, ob die Studie aussagekräftig ist oder nicht, könnte mit einer offensiven Forderung nach einer säkularen öffentlichen Erziehung ein Thema aufgegriffen werden, dass die Rechten für ihre Propaganda nutzen. Dass es denen nicht um eine säkulare Erziehung geht, zeigt sich daran, dass viele derer, die gegen den Islam auf die Straße gehen, durchaus für ein striktes christliches Wertesystem eintreten und im Kampf gegen Gendertheorien und moderne Erziehung mit ihren größten Gegner einig sind.
"Islamismus zurückdrängen - Menschenrechte bewahren", lautet das Motto des Kompetenzzentrums Islam bei der Aktion 3. Welt Saar, eine der wenigen Gruppen in der NGO-Landschaft, die ihren Kampf für eine säkulare Gesellschaft gerade in dem Augenblick verstärkt, wo die Notwendigkeit dafür größer denn je ist. Warum wird der Kampf für eine säkulare Gesellschaft nicht auch bei den Pegida-Gegnern stärker in den Mittelpunkt gestellt?
Schließlich würde man dann nicht nur auf die vorgeblichen Abendlandverteidiger reagieren, sondern eine Alternative aufzeigen, die Menschen, die unter den unterschiedlichen real existierenden Religionen und ihren Kirchen leiden, mobilisieren könnte.