US-Raketen für die Ukraine: Das ist auch ein Schlag gegen Olaf Scholz
Die USA geben Mittelstreckenraketen für die Ukraine frei. Die Entscheidung fällt kurz nach Scholz' Gespräch mit Putin. Warum das Weiße Haus damit gleich mehrere Ziele erreicht. Ein Kommentar.
Waffen an die Ukraine. Mehr Waffen in die Ukraine – so schnell wie möglich. Waffen an die Ukraine – jetzt. Seit Beginn des russischen Krieges in seinem westlichen Nachbarland wird die Debatte über immer umfangreichere Waffenlieferungen in immer schrilleren Tönen geführt.
Dabei spielten viele Interessen eine Rolle. Kaum jemals ging es darum, diesen Krieg, aus dem die Ukraine auf jeden Fall als Verlierer hervorgehen wird, anders zu beenden; Land und Leute zu schützen. Denn die Opferzahlen in der Ukraine sind schon jetzt so hoch, dass dies die Zukunft der ukrainischen Gesellschaft nachhaltig beeinflussen wird.
Wenn ein harter politischer Streit, zumal um sicherheits- und geopolitische Ziele, so lange geführt wird und so festgefahren ist, greifen die Beteiligten auch zu unsauberen Mitteln. So auch in der aktuellen Debatte um die Freigabe des Einsatzes US-Mittelstreckenraketen für die Ukraine.
Hier lohnt sich ein Blick ins Detail. Denn was dort am Sonntag zuerst in der New York Times berichtet wurde, fand nur teilweise den Weg in die europäischen Medien. Das liberale und dem scheidenden Präsidenten Joe Biden nahestehende Blatt berichtete über schwerwiegendere Differenzen in der US-Führung.
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US-Raketen gegen Russland können wiederum Gegenreaktionen provozieren. Das Kriegsgeschehen wird sich grundsätzlich nicht ändern.
Das bedeutet in der sensiblen Abwägung von Risiko und Nutzen: Am Ende kommt die Ukraine dem von Präsident Wolodymyr Selenskyj formulierten Stil eines gerechten Friedens nicht näher, sondern der Krieg kann weiter in die Länge gezogen werden.
Wo sind die Grenzen?
Zumal die New York Times darauf hinweist, dass es wohl nicht bei dem Einsatz im russischen Verwaltungsbezirk bleiben wird. Wenn sich die Befürworter weiterer Lieferungen und Freigaben schwerer Waffen in den USA durchgesetzt haben, warum sollte man an dieser Stelle aufhören?
Zwingt man sich zu einem distanzierten Blick, um zu beurteilen, wie sich diese Entscheidung langfristig auswirken wird, wird deutlich: Während der deutsche Bundeskanzler Kontakt mit Moskau aufnahm – und es war kein freundliches Telefonat –, eskalierte Joe Biden den Krieg auf dem europäischen Schlachtfeld.
Warnsignal an Pjöngjang
Als Grund nennt die New York Times, die über gute Verbindungen in die US-Führung verfügt, politische Ziele: Washington wolle ein Warnsignal an die Nordkoreaner senden, die Truppen nach Kurs geschickt haben, um Moskau dort zu unterstützen.
Deutlicher können Moskau und Washington der Weltöffentlichkeit kaum demonstrieren, dass in der Ukraine – und damit auf europäischem Boden – ein Stellvertreterkrieg geführt wird.
Kam der deutsche Sozialdemokrat Olaf Scholz Washington dabei in die Quere? Klar ist, dass mit der US-Entscheidung nun wieder eine Debatte auch um deutsche Waffenfreigaben geführt wird. Mitten im Wahlkampf zur vorgezogenen Bundestagswahl 2025. Politisch sind die US-Raketen damit schon eingeschlagen, bevor sie überhaupt militärisch eingesetzt wurden.
Aus der Sicht von beiden und seinen Beratern ist es dennoch ein genialer Zug: Die Entscheidung hat, ohne dass sie bislang offiziell bestätigt wurde, Fakten geschaffen.
Das wird den Wahlkampf in Deutschland beeinflussen. Und es wird der gewählten US-Regierung von Donald Trump Probeme breiten.