Windenergie: Licht und Schatten
Ausbau auf See kommt gut voran. Die Branche sorgt sich vor einem technologischen "Fadenriss" , wenn die Entwicklung für zwei Jahre, wie geplant, verlangsamt wird
Anlagenbauer, Betreiber und andere Vertreter der Windenergiebranche haben letzte Woche Bilanz für den Ausbau der Windkraft auf See (offshore) gezogen. Demnach wurden dort 2016 156 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 860 Megawatt (MW) errichtet. Das wären durchschnittlich 5,5 MW pro Anlage, das heißt, der Trend geht eindeutig zu immer leistungsfähigeren Windrädern.
860 Megawatt ist etwas mehr als die Leistung eines der großen Kohlekraftwerke, wie sie im letzten Jahrzehnt geplant und einige noch gebaut wurden. Das umstrittene Kraftwerk in Hamburg Moorburg hat zum Beispiel zwei Blöcke mit einer Nettoleistung von jeweils knapp 800 MW.
Betriebszeiten
Allerdings sollte beim Vergleich von Kraftwerkstypen auch auf die Betriebszeiten geachtet werden. Auf See rechnet die Branche mit 4.000 Stunden, die die Windkraftanlagen rechnerisch im Jahr unter Volllast arbeiten, das heißt, in dieser Zeit speisen sie die maximale Leistung ins Netz ein. Faktisch speisen sie länger ein, dafür aber nicht immer die volle Leistung, weil es nicht genug weht. Jedenfalls ergäben 4.000 Volllaststunden für die Neuanlagen eine jährliche Strommenge von 3,44 Milliarden Kilowattstunden.
Theoretisch kann ein Kohlekraftwerk ohne weiteres 7.000 der 8.760 Stunden im Jahr unter Volllast laufen. Damit könnte dann ein Moorburg-Block 5,6 Milliarden Kilowattstunden ins Netz einspeisen. Faktisch gibt es aber nicht so viel Bedarf an Kohlestrom, unter anderem, weil der Wind- und Solarstrom vorrangig eingespeist wird, sofern er anfällt. Ergo sind die Kohlekraftwerke nur noch schlecht ausgelastet, was zu den Motiven für den mittelfristigen Verkauf gehören könnte, über den bei Vattenfall nachgedacht wird.
4,7 Milliarden Kilowattstunden mehr als ein Jahr zuvor
Aber zurück zur Offshore-Windenergie: 2016 wurden außerdem 21 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 123 MW errichtet, die demnächst erst ans Netz angeschlossen werden und daher in der Statistik für 2016 noch nicht auftauchen. Jene 21 Neuanlagen nicht mitgerechnet, drehten sich zum Jahresende 2016 auf See Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 4.108 MW. Die lieferten rund 13 Milliarden Kilowattstunden also 4,7 Milliarden Kilowattstunden mehr als ein Jahr zuvor.
Die Branche rechnet für dieses Jahr mit etwa 1.400 Megawatt neu installierter Leistung und in den beiden darauf folgenden Jahren jeweils mit durchschnittlich etwa 1.000. Die Zahl der rund 20.000 Arbeitsplätze in der Branche würde vermutlich zunächst stabil bleiben.
Geplante Reduktion
Für die Jahre 2021 und 2022 – ausgerechnet die Jahre, in denen die meisten AKW vom Netz gehen – plant die Bundesregierung jedoch, den Offshore-Ausbau auf jährlich 500 MW zu reduzieren. Über das neue Ausschreibungssystem lässt sich das relativ genau steuern. Erst danach soll wieder mehr installiert werden.
In der Branche ist man daher besorgt. Ein Teil der Unternehmen könnte in das benachbarte Ausland abwandern, in dem stärker ausgebaut werde. Besonders in Großbritannien sind große Projekte in Planung. In Deutschland werden die Anlagen fernab der Küste errichtet, von der sie in der Regel nicht zu sehen sind.
Nur von Helgoland kann man bei gutem Wetter einige Windparks fern am Horizont sehen. Diese Küstenferne macht Bau und Wartung hierzulande etwas teurer, ist aber sicherlich für Anwohner und Touristen angenehmer. Die allermeisten Anlagen stehen übrigens in der Nordsee, in der deutlich mehr Platz ist als vor den deutschen Ostseeküsten.