Wo bleibt der Aufschwung für die Jungen?
"An den Rand gedrängt": Die IG-Metall-Studie macht auf schwierige Arbeitsverhältnisse der 14- bis 34-Jährigen aufmerksam
Die Ergebnisse von Studien hängen sehr von der Fragestellung ab. Darauf machten Kritiker und auch das Forum zu Beiträgen über Studien, die vergangene Woche größere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erzielten, immer wieder aufmerksam. Das trifft auch auf die IG-Metall-Studie zur beruflichen Situation der jungen Generation zu, die gestern veröffentlicht wurde. So finden sich am Ende der Studie (Seite 20) ein paar Fragen zur "wirtschaftspolitischen Einstellungen 2010", welche eine Zustimmung näherlegen als eine abweichende Ansicht: "Wirtschaftliche Interessen haben zuviel Einfluss auf die Entscheidungen in unserer Gesellschaft" oder "Die Politik ist nicht mutig genug, der Wirtschaft engere Vorgaben zu machen".
89 Prozent Zustimmung zur ersten Behauptung und 86 Prozent zur zweiten sind nicht weiter erstaunlich, zumal beide Behauptungen seit längerer Zeit in der Öffentlichkeit wie in Privatgesprächen als Konsens-Standard kursieren. Wer da anderes denkt, ist eine Ausnahme. Daraus direttissima "ausdrückliche Forderungen" der jungen Generation zu schließen, wonach die Politik der Wirtschaft stärkere Vorschriften machen müsse, ist vielleicht nicht falsch, entspricht aber genauso auch den Forderungen der IG-Metall.
Auch das Fazit der Studie, zusammengefasst vom Zweiten Vorsitzenden der Gewerkschaft, Detlef Wetzel, fügt sich gut in politische Diagnosen, die von der IG Metall wohl nicht zum ersten Mal so oder ähnlich geäußert werden:
"Im wirtschaftlichen Aufschwung werden die Jungen abgehängt und im Erwerbsleben an den Rand gedrängt. Der Aufschwung geht an der jungen Generation vorbei."
Und doch liefert das Zahlenmaterial, das die Befragung von gut 1000 repräsentativ ausgewählten 14- bis 34-Jährigen im September 2010 durch TNS Infratest auf den Tisch legt, Indizien für langfristig wirksame beunruhigende Entwicklungen, die sich nicht so leicht mit dem Hinweis auf die Herkunft der Studie wieder vom Tisch wischen lassen. Zum einen bestätigt die Studie den Trend zum Niedriglohnland Deutschland:
"20 Prozent der Beschäftigten unter 35 Jahren üben eine oder mehrere Nebentätigkeiten aus.Von diesen geben 36 Prozent an, dass die Nebentätigkeit erforderlich sei, um "finanziell überhaupt über die Runden zu kommen."
Zum anderen den Trend zur Leiharbeit und damit einhergehenden unsicheren Verhältnissen. Prekäre Arbeitsverhältnisse würden junge Menschen überproportional treffen, so die Studie, die feststellt, dass "mehr als die Hälfte aller Erwerbstätigen bis 24 Jahre befristet oder in Leiharbeit beschäftigt (sind) oder einer ABM/SAM-Maßnahme nachgehen".
"Gegenüber 2009 arbeiten zwei Prozent mehr in prekären Jobs, die unter 35 Jahre alt sind. Ihr Anteil erreichte die 30 Prozent-Marke. Besonders gravierend trifft es die 20- bis 24-Jährigen: Mit neun Prozent stieg ihr Anteil an den prekär Beschäftigten auf 45 Prozent und toppte sogar das Krisenjahr 2009. Bei den über 35-Jährigen blieb der Anteil unverändert bei 16 Prozent."
Die prekäre Situation der in der Leiharbeit Beschäftigten biete wenig Hoffnungen. Der "Klebeeffekt", die Übernahme von Leiharbeitern in feste Arbeitsverhältnisse, bleibe die Ausnahme, so die Studie: "Junge Menschen, die ihren Berufseinstieg mit Leiharbeit beginnen, haben wahrscheinlich kaum eine Chance, später fest angestellt zu werden."
Ein weiterer Trend ist der relativ hohe Anteil von Teilzeitarbeit unter den Jungen. 19 Prozent der Beschäftigten unter 35 Jahren arbeiten demnach unter 30 Stunden pro Woche - insgesamt mehr als die Hälfte wollen aber Vollzeit arbeiten.
Und auch das Schreckensgespenst unserer Arbeitswelt, die Langzeitarbeitslosigkeit mit ihrer Aussichtslosigkeit, zeigt sich der nachwachsenden Generation sehr deutlich: 48 Prozent der jungen Arbeitslosen beziehen ALG II und sind somit (in der Regel) länger als ein Jahr erwerbslos. "Es gelingt zu wenig, jüngere Arbeitslose wieder zu vermitteln." Angesichts des überall beklagten Fachkräftemangels, so beklagt die Gewerkschaft, würden hier eine Chancen zur Weiterbildung nicht genutzt.
"Wo bleibt der Aufschwung?" wird im Fazit rhetorisch gefragt und gleich die Antwort mitgeliefert: "Die Junge Generation bleibt ausgebremst - trotz Aufschwung".
Wie in der Shell-Studie mache sich eine deutliche Kluft bemerkbar, so die Studie. Bei den Hauptschulabsolventen verschlechtere sich die die Stimmung weiter. Bei Fragen nach der "Einschätzungen zur Zukunft", bei denen 76 Prozent "grundsätzlich mit Zuversicht" in die Zukunft schauen, reagierten sie gegen diesen Trend.
"Sie gehören zu den strukturell Benachteiligten. Damit werden bestehende Bildungsungleichheiten weiter verschärft. Diejenigen, die den geringsten Bildungsstand haben, bekommen keine oder wenig Entwicklungschancen und haben damit das höchste Arbeitsplatzrisiko."