"Wo ein Trog ist, sammeln sich die Schweine"
Bundesregierung will nun doch die Vorratsdatenspeicherung
"Wo ein Trog ist, sammeln sich die Schweine" - diesen Vergleich äußerten die Richter des Bundesverfassungsgerichts seinerzeit bei der Expertenanhörung zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) - und erklärten sie für verfassungswidrig. Und als sei diese rustikale Lebenserfahrung nicht ausreichend genug, räumte diese Woche ein BND-Elektrospion ein, dass die NSA in den von Deutschland durchgereichten Daten Wirtschaftsspionage betreibt. Bereits in der griechischen Mythologie reifte die Erkenntnis, dass unsichtbar auf Erden wandelnde Götter mangels Kontrolle ungehemmt die Sau rauslassen.
Obwohl während der Dauer der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland die Aufklärungsquote gerade einmal um 0,006 % gestiegen war, wird dieses Sicherheitsplacebo unter populistischen Politikern noch immer als Wundermitel gepriesen. Die bittere Ironie ist, dass als politischer Hebel für den Überwachungsstaat ausgerechnet der Mord an den eher anarchistischen Satirikern in Paris herhalten muss - obwohl die in Frankreich praktizierte Vorratsdatenspeicherung offensichtlich die Tat nicht verhindern konnte.
Ein Sicherheitsgewinn ist gegenüber professionellen Terroristen nicht zu erwarten. So hatte die IRA bereits vor vier Jahrzehnten Strategien entwickelt, um sich nicht durch Telekommunikation zu verraten. Als man die arabischen Terroristen noch Freiheitskämpfer nannte, hatte diesen die CIA persönlich beigebracht, wie man sich in Afghanistan vor den Sowjets tarnt. Geisteskranke oder religiös fanatisierte Einzeltäter kommen ganz ohne Kommunikation aus.
Politiker sind beim Abschirmen ihrer Privatsphäre deutlich ungeschickter. Zu verbergen haben auch sie viel. In den Ausschüssen, die eigentlich den Geheimdiensten auf die Finger sehen sollen, agierten leicht erpressbare Politiker wie ein Crystal-Meth-Konsument (Gegner der Freigabe weicher Drogen) und ein Kleine-Jungs-Bilder-Herunterlader (Befürworter der Vorratsdatenspeicherung). Auch wer diese Zeilen liest, gibt in diesem Moment vermutlich gerade seine IP-Adresse preis.
Was ein Geheimdienst mit Daten anstellen kann, sollte nach dem Edathy-Skandal (eigentlich) selbst dem dümmsten Politiker klar sein. Die auf Rechnern des Bundestags gefundenen Spuren hatten u.a. den Rücktritt eines Ministers bewirkt. Wer blindes Vertrauen in die deutschen Sicherheitsbehörden hat, möge sich den peinlichen Abgang des Verfassungsschutzpräsidenten Eckart Werthebach in Erinnerung rufen, der wohl etwas freigiebig mit seinen Daten war. Sein Vorgänger, Ludwig-Holger Pfahls, machte nach seinem Amtsausscheiden eine kriminelle Karriere. Pfahls wurde u.a. ein Panzer-Deal mit Saudi Arabien zum Verhängnis - in ähnlicher Mission war diese Woche Sigmar Gabriel unterwegs, der die Vorratsdatenspeicherung für ein "geeignestes Instrument" der Strafverfolgung hält.
Dennoch trabt nun die naive Lämmerherde lernresistenter Politiker freiwillig zur Schlachtbank, wie DER SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe berichtet. Befürworter verweisen stets darauf, dass "nur" die Metadaten gespeichert würden, was in der Post-Snowden-Ära bestenfalls als "Bildungslücke" bezeichnet werden kann. Bei Aufrufen bei Gay-Portalen, AIDS-Hotlines und Fachärzten für Geschlechtskrankheiten kann man sich einen Reim auf das Anliegen machen. Bereits der Aufenthalt mit einem eingeschalteten Handy am falschen Ort kann kompromittieren. Im politischen Berlin ist es ein offenes Geheimnis, dass auch bekannte Politiker sich in fremde oder gar bezahlte Betten verirren, was das Papier von Boulevardblättern gierig aufsaugt.
Während die Auswertung etwa aufgezeichneter Gespräche massenhaft nur schwer zu leisten ist, sind Metadaten im Gegenteil sogar die Telefonbücher und Landkarten, um Zielpersonen zu identifizieren oder kreieren - oder den "Full Take" beim GCHQ anzufordern, wo man durchaus ganze Anrufe auf Vorrat speichert. Wie Ex-NSA-Chef Michael Hayden einräumte, basieren Drohnen-Abschüsse bisweilen auf Metadaten. Nachweislich hat die CIA Menschen wegen Namensverwechslung getötet - zu unserer Sicherheit.
Die Lizenz zum Ausforschen verträgt sich schwerlich mit der Vertraulichkeit, die etwa Berufsgeheimnisträger vom Gesetz beanspruchen dürfen. Wie dem SPIEGEL-Artikel zu entnehmen ist, sollen entsprechende Ausnahmen geschaffen werden, etwa für Ärzte, Rechtsanwälte und Journalisten. Wie die Erfahrung zeigt, halten sich unsichtbare Schnüffler allerdings nicht an derartige Vorgaben. Geheimdienste interessieren sich für im wahrsten Sinne für Sch****, weshalb US-Präsidenten seit den 60er Jahren bei Staatsbesuchen mit Campingtoiletten reisen. Auch der BND soll im Gästehaus der Bundesrepublik auf dem Petersberg das Abwasser angezapft haben, um so an urologische Informationen über den Gesundheitszustand fremder Staatslenker zu gelangen. Den Aufwand kann man sich sparen, wenn man solche Daten auch online erhalten kann. Wo ein Trog ist, ...