Zwischen Guido Westerwelle und Jürgen Gleue

Lena Meyer-Landrut gewann den Grand Prix nicht trotz, sondern wegen ihrer Aussprache

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In der Vergangenheit gab es eine ganze Reihe von Sänger und Sängerinnen, deren Erfolg in Deutschland sich vorwiegend durch ihren seltsamen Akzent erklären lässt: Von Gus Backus und Bill Ramsey bis hin zu Billy Mo. Mit der aktuellen Grand-Prix-Siegerin Lena Mayer-Landrut verhält es sich in gewisser Weise umgekehrt, aber doch ähnlich: Sie singt nicht deutsch, sondern Englisch – aber zweifellos mit einem sehr, sehr seltsamen Akzent.

Eines der Vorbilder für die Aussprache der Sängerin war offenbar das Estuary English, das in den letzten Jahren maßgeblich mit am Erfolg von Lily Allen oder Dizzee Rascal beteiligt war. Allerdings gelingt Lena Meyer-Landrut die Imitation dieses Soziolekts ähnlich bedingt wie dem Kölner Reggae-Sänger Tilmann Otto die des jamaikanischen Patois. Im Ausland merkte man das früher als in Deutschland: Während der Spiegel zuerst noch von einem "coolen Londoner Akzent" schwärmte", ließ er später mit Mark Espiner einen Muttersprachler zu Wort kommen, der erklärte, dass die Aussprache auf ihn ähnlich komisch wirkt, wie wenn ein schwedischer Sprachtherapeut versucht, Ali G. zu imitieren. Roger Boyes von der der Londoner Times, erinnerten die Vokale der Sängerin dagegen an einen australischen Outback-Bauern.

Diese exzessive Beschäftigung mit der Aussprache Lena Mayer-Landruts zeigt aber auch, dass es genau diese Fehlerhaftigkeit ist, die zum Unterhaltungswert der Siegernummer beiträgt: Damit befindet sie sich zwar einerseits in Gesellschaft von Außenminister Guido Westerwelle und EU-Kommissar Günther Oettinger (die in den letzten Monaten öffentlich machten, dass das deutsche Englischdefizit ähnlich massiv ist wie das griechische Staatsdefizit), aber andererseits auch in der Tradition der wichtigsten Band ihrer Heimatstadt (die die 19jährige wahrscheinlich gar nicht kennt): Die 39 Clocks, im Kern bestehend aus Jürgen Gleue und Christian Henjes, pflegten, wie Diedrich Diederichsen zu Anfang der 1980er in Sounds zutreffend feststellte, das Englische noch zur Blütezeit der Neuen Deutschen Welle nicht mehr als Fremd-, sondern als Referenz- und Zitatsprache - wodurch sie etwas damals völlig Neuartiges erfanden, das seiner Wiederentdeckung mehr als würdig wäre.

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