"Ausländische Viren" sind überall: Abschottung der US-Universitäten
Schon vor der Coronavirus-Pandemie setzte Trump auf Nationalismus und Grenzsicherung, mit einem Spitzelprogramm werden ausländische, vor allem chinesische Studenten und Wissenschaftler überwacht
Ausgerechnet Donald Trump beschuldigte die EU, nicht rechtzeitig gegenüber dem "ausländischen Virus" gehandelt zu haben. Europäische Reisende hätten das Coronovirus in die Staaten gebracht. Trump hatte erst einmal angekündigt, dass der gesamte Reiseverkehr mit Europa eingestellt werde, das beträfe auch Waren und viele andere Dinge. Das Heimatschutzministerium musste korrigieren, dass die Einreiseverbote für die meisten Ausländer aus der Schengenzone gelten, der Güterverkehr ist nicht betroffen.
Auch das Pentagon schränkte die Reisen der Soldaten, Angestellten und ihren Angehörigen drastisch sein. Erwartet wird, dass dies auch Auswirkungen auf das geplante Großmanöver Defender-Europe 20 haben wird, an dem 20.000 US-Soldaten aus den USA und 9000 in Europa stationierte teilnehmen sollten. Die "Großveranstaltung" war mit 37.000 Soldaten insgesamt geplant. Soldaten sollten mitsamt Material und Fahrzeugen in West-Europa ankommen und danach durch 10 Länder über 4000 km nach Osten fahren. Die Bundeswehr schrieb noch gestern: "Derzeit hat die Ausweitung des Coronavirus keine direkten Auswirkungen auf das Übungsgeschehen."
Der Trumpsche Überschwang weist darauf hin, dass der US-Präsident unter hohem Druck steht, aber auch auf seine Politik, die Mauerbau, Zollgrenzen und Grenzschließungen ein Allzweckmittel sieht. Das betrifft nach den Migranten und dem Virus nun auch Universitäten, die sich besser gegen ausländische Wissenschaftler abgrenzen und Reisen der US-Wissenschaftler begrenzen sollen. Wie Nature über Kontakte mit Forschungspräsidenten verschiedener Universitäten herausgefunden hat, müssen diese vermehrt mit dem FBI zusammenarbeiten.
Der Feind in den Universitäten
Begonnen hatten die Maßnahmen vor mehr als einem Jahr, als die US-Regierung, Geheimdienste und Abgeordnete behaupteten, manche Länder, alle voran China, würden die Offenheit der amerikanischen Wissenschaft missbrauchen. Im Hintergrund steht der eskalierende Konflikt zwischen den USA und China, den Donald Trump vorangetrieben hat. Startschuss dürfte eine Verkürzung der Studentenvisa 2018 und ein von INH vorgelegter Bericht gewesen sein: ACD Working Group for Foreign Influences on Research Integrity. Bekannt wurde letztes Jahr, dass FBI-Agenten mehrere Forschungsuniversitäten besucht haben und Geheimdienste diese aufgefordert haben, Protokolle zur Überwachung von chinesischen Studenten und Gastwissenschaftlern von Forschungseinrichtungen zu entwickeln, die mit dem chinesischen Staat verbunden sind.
Das Wissenschaftsmagazin Nature fragte die Uni-Vizepräsidenten, welche Maßnahmen ergriffen worden sind, um den "ausländischen Einfluss" zu bekämpfen. Danach gibt es eine breite Zusammenarbeit mit dem FBI, wozu auch regelmäßige Treffen gehören. In einem Fall wurde ein früherer Agent eingestellt. Etwa durch anonyme Telefon-Hotlines will man Menschen ermuntern, verdächtige Aktivitäten zu melden, also Kollegen oder Kommilitonen anzuschwärzen, ohne dafür gerade stehen zu müssen.
Nature schreibt, die Antworten der Vizepräsidenten würden "auch Frustrationen offenbaren", was suggerieren würde, dass sie eigentlich gerne die Überwachungsmaßnahmen ausführen. So sollen sie sich beschweren, Anforderungen von konkurrierenden Behörden managen zu müssen, und auch die Sorge ausdrücken, dass hastig eingeführte Maßnahmen ausländische Forscher abschrecken oder befremden können, noch in den USA arbeiten zu wollen. Studenten aus China spülen viel Geld in die Taschen amerikanischer Universitäten, für die chinesische Wissenschaftler einen wichtigen Beitrag zur Forschung leisten. Fast 34 Prozent aller ausländischer Studenten kommen aus China, mit 360.000 Studenten stellen sie die größte Gruppe. Das heißt auch, dass die Wissenschaft in den USA von Chinesen profitiert.
Über Diskriminierungen beklagten sich schon chinesische Studenten und Wissenschaftler, amerikanisch-chinesische Wissenschaftler warnten schon letztes Jahr vor "racial profiling", das der US-Wissenschaft schaden würde.. China ist da nicht unglücklich, denn so kommen mehr Studenten und Wissenschaftler wieder zurück, zumal China wissenschaftlich teils mit an der Spitze liegt oder schnell aufholt.
4 der 10 von Nature befragten Vizepräsidenten von der Washington State University in Pullman, der Oklahoma State University in Stillwater oder der University of North Texas (UNT) in Denton sagten, sie würden sich regelmäßig mit FBI-Agenten treffen. So sollen die Treffen das FBI mit der universitären Offenheit vertraut machen, sagte etwa Mark McLellan von der UNT. Das würde verhindern, dass FBI-Agenten eigenmächtig Leuten nachspüren. Das klingt eher beschönigend für das Spitzelprogramm, das Chinesen, aber auch Menschen aus anderen Ländern, unter Generalverdacht stellt.
"Bedrohung der Forschungsproduktivität"
Klarer wird das bei der University of South Alabama, die letzten September einen pensionierten FBI-Agenten, spezialisiert auf Wirtschafts- und Gegenspionage, als Direktor für Informationstechnik und Risiko-Compliance einstellte. Furman sagt, er habe mit den Fakultätsmitgliedern gesprochen, die ihn nun als Ressource gegen "eine Bedrohung ihrer Forschungsproduktivität" betrachten würden. So kann man wahrscheinlich auch ausdrücken, dass das Personal der Universität, die von Bundesgeldern abhängig ist, die Unterwanderung akzeptiert, die die Offenheit und Freiheit der Wissenschaft in Frage stellt.
Aber es geht nicht nur gegen ausländische Studenten und Wissenschaftler, auch gegen internationale Gäste. Die UNT überlegt, ihren Angestellten Reisen zu "bestimmten ausländischen Einrichtungen" verbieten, wo Technik "kompromittiert" sein könnte. Die Washington State University rät Fakultätsmitglieder zu Vorsichtsmaßnahmen, "wenn sie mit Technik international unterwegs sind". Nach Nature verfolgt das FBI 1000 Fälle von Diebstahl intellektuellen Eigentums, die mit China verbunden sind.
Und John Brown, der stellvertretende Direktor der FBI-Gegenspionage-Abteilung sagte kürzlich: "Die USA war seit der Sowjetunion und dem Kalten Krieg mit keiner ähnlichen Bedrohung mehr konfrontiert." Man kommt also nach dem Zerfall der Sowjetunion, der amerikanischen Hegemonie und dem War on Terror wieder in die vertraute Welt der Bedrohung zurück. Statt Offenheit ist Bespitzelung, statt Abrüstung neue Aufrüstung, statt internationaler Verständigung Nationalismus gefragt.
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