Weltfrauentag: Geschlechtsspezifische Fluchtgründe anerkennen

Eine Frau und ihre Kinder sind an der ukrainisch-slowakischen Grenze. Bild: Ukrinform, depositphotos

Zum heutigen 8. März fordert das europäische Bündnis "Feminist Asylum" eine Umkehr in der Migrationspolitik

Seit dem Februar 2018 ist die "Istanbul-Konvention" (IK) in Deutschland als Gesetz "zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt" in Kraft. Die Umsetzung des Gesetzes soll ohne Diskriminierung erfolgen …

… insbesondere wegen des biologischen oder sozialen Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, der sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität, des Alters, des Gesundheitszustands, einer Behinderung, des Familienstands, des Migranten- oder Flüchtlingsstatus oder des sonstigen Status

Art. 4, Abs. 3 IK

Aber bislang steht das Gesetz nur auf dem Papier. Darum fordert das Europäische Bündnis "Feminist Asylum" zum Internationalen Frauentag am heutigen 8. März die konsequente Anerkennung besonderer Fluchtgründe von Frauen und LGBTIQA+ Personen (LGBTIQA+ bedeutet: lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, intersexuell, queer, asexuell, und weitere). Das Bündnis hat eine Feministische Petition gestartet, die hier unterzeichnet werden kann.

Eine Europäische Feministische Petition

Die Petition richtet sich an die Organe der EU und die nationalen Regierungen des Schengen-Raums. Ihre Forderungen sind:

  1. Das Recht auf internationalen Schutz durch die konsequente Anerkennung spezifischer Asylgründe für Frauen, Mädchen und LGBTIQA+ Personen zu gewährleisten.
  2. Die Einrichtung einer europäischen Überwachungsstelle zur konsequenten Umsetzung des Rechts auf internationalen Schutz für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und für geschlechtsspezifische Aufnahme- und Asylverfahren und Unterstützungshilfen (Art. 60 und 61 Istanbul-Konvention) sowie zur Einhaltung des Abkommens zur Bekämpfung von Menschenhandel, insbesondere dessen Artikel 10 bis 16.
  3. Den Zugang zu Asyl in EU-Mitgliedsländern für Frauen, Mädchen und LGBTIQA+ Personen zu gewährleisten.

Marianne Ebel von Feminist Asylum ist stolz auf die bisherige Reichweite der Petition:

Europaweit sind wir bereits 250 Organisationen, die sich für den konsequenten Schutz von Betroffener von patriarchaler Gewalt auf der Flucht einsetzen, darunter 29 Organisationen aus Deutschland.

Auch Persönlichkeiten aus Kultur, Sport und Politik hätten sich der Petition angeschlossen, so zum Beispiel Sofia Bekatorou, die zweifache Olympiasiegerin und Initiatorin der #MeToo-Bewegung in Griechenland, Silvia Federici, Eric Toussaint, Jean Ziegler und andere.

"Jetzt appellieren wir an die Organe der EU und an die nationalen Regierungen" so Marianne Ebel: "Bereiten sie institutionalisierter patriarchaler Gewalt im europäischen Asylsystem ein Ende. Schützen sie Betroffene von patriarchaler Gewalt auf der Flucht konsequent!"

Wie alles begann

Ebel hat die Feministischen Petition mitinitiiert und berichtet, wie es begann: "Im September 2019 organisierte Marche Mondiale des Femmes (MMF) in Genf ein dreitägiges europäisches Treffen ‚Frauen – Migration – Zuflucht‘, um die besonderen Bedürfnisse von Migrantinnen zu definieren und mit dem Aufbau eines europäischen Netzwerks zu beginnen."

Bei dem Treffen entstand die Idee einer feministischen Grenzbesetzung.

Sie sollte gleichzeitig in Südfrankreich in Ventimiglia-Menton und in Zentralamerika in Honduras, El Salvador, stattfinden, am 17. Oktober 2020 anlässlich des Abschlusses der fünften transnationalen Aktion der MMF.

Dann kam die Pandemie. "Wir suchten nach Alternativen" sagt Ebel, "behielten aber den Willen bei, so bald wie möglich symbolisch die Grenzen zu besetzen. Wir gründeten ‚Toutes Aux Frontières‘ mit Pilar Senek, die aus der Türkei geflohen war, und dank ‚Zoom‘ und unserer gemeinsamen Entschlossenheit gelang es uns, am 5. Juni 2021 eine beeindruckende Demonstration in Nizza zu organisieren."

In Nizza marschierten, sangen und tanzten 8.000 Frauen fünf Stunden lang durch die Straßen der Stadt. Ebel: "In Nizza werden alle Entscheidungen über die Grenze Menton-Ventimiglia getroffen. Ich hatte das Glück dabei zu sein, mit anderen Delegierten aus mehreren europäischen Ländern, es war unglaublich, mitten in der Pandemie! Anlässlich dieser Demonstration haben wir die Idee der Europäischen Feministischen Petition veröffentlicht."

Und sie betont: "Diese Petition für die effektive Anerkennung der besonderen Asylgründe von Frauen, Mädchen und LGBTIQA+ Personen kommt ‚von unten‘, von Frauen, die für ihr Recht auf Asyl kämpfen und von Frauen wie mir, die sich mit den Prekärsten und Bedrohtesten unter uns solidarisieren."