Haftbefehl gegen Putin großes Thema in Russland

Erkennt nach Art der Großmächte den Internationalen Gerichtshof nicht an: Wladimir Putin. Foto: Presidential Executive Office of Russia / CC BY 4.0

Heftige Reaktionen auf Beschluss des Internationalen Strafgerichtshofs. Wie Russlands Offizielle den Vorwurf sehen – und Einschätzungen der Opposition.

Dass Kreml-Sprecher Dmitri Peskow gleich feststellte, dass der Haftbefehl gegen seinen Chef für ihn null und nichtig ist, da Russland die Zuständigkeit des Gerichts nicht anerkenne, berichteten auch zahlreiche Zeitungen im westlichen Ausland. Doch es gab tatsächlich in Russland eine Fülle von Reaktionen auf die Entscheidung, den Präsidenten wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine festsetzen zu wollen.

"Rechtswidrig, provokante Aktion, die die Lage in der Welt anheizt"

Empörung herrscht dabei natürlich durch die Bank in den Kreisen der Regierungsfunktionäre. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa versuchte dabei den Gleichklang mit Peskow mit einer nahezu identischen Aussage, Ex-Premier Dmitri Medwedew legte wie so oft noch eine Schippe drauf und deutete via Twitter an, dass der Haftbefehl maximal auf der Toilette Verwendung finden würde.

Etwas gewählter drückte sich bei Telegram das Föderationsratsmitglied Andrej Klischas aus. Er bezeichnete die Entscheidung als absurd; der Strafgerichtshof beschreite damit den Weg zur "Selbstzerstörung". Wladimir Daschabarow, ebenfalls in leitender Funktion im Föderationsrat, ging gleich zum verbalen Gegenangriff über und befürwortete Haftbefehle gegen die Richter in Den Haag durch ein russisches Gericht, da sie "mit ihren rechtswidrigen, provokanten Aktionen die Lage in der Welt anheizen".

Allgemein hatte man das Gefühl, dass alle Spitzenfunktionäre rund um den Kreml sich irgendwie verpflichtet fühlten, aus Gefolgschaft zu ihrem Anführer irgendetwas zu dieser Entscheidung in den Sozialen Netzwerken schreiben.

RT-Chefin Margarita Simonjan bezweifelte, dass es ein Land gebe, das Putin aufgrund des Haftbefehls wirklich festnehmen wird. Allgemein wären es übrigens genau 123 Staaten, die Putin bei einer Einreise nun eigentlich verhaften müssten, da sie den Statuten des Gerichts beigetreten sind.

"Wenn Sie Putin irgendwo treffen, können Sie ihn gleich festnehmen"

Komplett anders waren die Reaktionen aus den Kreisen der russischen Opposition. Zwei Stimmen gab es gleich aus dem überwiegend ins Ausland geflohenen Umfeld des inhaftierten Politikers Alexej Nawalny. Sein "Chief of Staff", Leonid Wolkow, nannte bei Twitter den Haftbefehl einen wichtigen, symbolischen Schritt und fügte hinzu: "Wenn Sie Putin irgendwo treffen, können Sie ihn gleich festnehmen und vor Gericht bringen".

Wladimir Milow, ebenfalls aus Nawalnys Umfeld, beschränkte sich in einem Kommentar auf die Aufforderung "Sperrt ihn ein!".

Die oppositionelle exilrussische Onlinezeitung Meduza bezeichnet es in einer Analyse als "möglich, aber praktisch sehr unwahrscheinlich", dass Putin in Den Haag tatsächlich vor Gericht gestellt wird. Es bräuchte dafür wahrscheinlich zuvor einen Sturz Putins, wie er auch den serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic um die Jahrtausendwende auf die Anklagebank in Den Haag geführt hatte.

Ein Prozess in Abwesenheit des Angeklagten sei nicht möglich, auch die USA erkennen die Legitimität des Gerichtshofs nicht an und verwahren sich gegen Anklagen eigener Funktionäre. Dennoch ist der Haftbefehl aus Den Haag gegenüber Putin nach Meinung von Meduza keine leere Drohung.

Denn der Gerichtshof sei ein Symbol unparteiischer, supranationaler Justiz. Dort arbeiteten hochrangige Juristen und auch Putins Anklage stärke die internationale Justiz.

Es gibt noch einen zweiten Haftbefehl

Etwas unter ging in der Flut der Pressemeldungen über den Haftbefehl gegen Putin, dass daneben ein Zweiter gegen Maria Lwowa-Belowa, die Beauftragte für Kinderrechte beim russischen Präsidenten erging. Der Hintergrund ist, dass sie maßgeblich für die Evakuierung von Kindern aus dem ukrainischen Kriegsgebiet und die anschließende Verbringung nach Russland sowie Adoptionen durch russische Eltern verantwortlich ist.

Nach ukrainischer und westlicher Auffassung sind dies Entführungen ins Ausland und Zwangsadoptionen. Nach russischer Auffassung – man hat ja die betreffenden Teile der Ukraine annektiert – ist es ein legitimes Handeln zuständiger Behörden. Lwowa-Belowa stellte dazu fest, dass sie ihre stark umstrittene Tätigkeit trotz Sanktionen und Haftbefehl fortsetzen wird.

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