LNG-Terminal: Rügen in heller Aufregung

Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Eröffnung des ersten LNG-Terminals, Wilhelmshaven, 17. Dezember 2022. Bild: Bergmann / Bundesregierung

Braunkohlekonzern RWE plant, vor der Ostseeinsel das größte Gas-Terminal Europas zu errichten. Bürgermeister:innen schreiben Brandbrief an Bundesregierung. Worum es bei den Protesten der Insulaner geht.

Auf der deutschen Ostseeinsel Rügen rumort es. Größere Teile der Bevölkerung sind aufgebracht über Pläne, auch vor dem Eiland mit dem markanten Kreidefelsen ein Terminal für verflüssigtes Erdgas (LNG, Liquefied Natural Gas) bauen zu wollen. Der Norddeutsche Rundfunk berichtet, dass der Energiekonzern RWE bereits mit den Vorarbeiten begonnen habe.

Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Insel haben einen Brandbrief an die Bundesregierung geschrieben. Auch das Stadtoberhaupt der benachbarten Hansestadt Stralsund beteiligte sich. Schon Ende Februar hatte es eine Demonstration gegen das LNG-Vorhaben gegeben, bei denen 2.500 Insulaner ihren Protest anmeldeten. Eine Internet-Petition hatte am Freitagnachmittag bereits fast 200.000 Unterstützerinnen und Unterstützer.

Auch die den Wahlkreis im Bundestag vertretende SPD-Abgeordnete Anna Kassautzki zeigt sich „zutiefst besorgt“. „Der Eingriff in das empfindliche Ökosystem der Ostsee und die Lebensqualität der Insel Rügen könnten enorm sein", so die Sozialdemokratin, die sich gegen das Projekt ausspricht und die Bundesregierung kritisiert, weil diese nicht auf Briefe der Rügener Bürgermeisterinnen und Bürgermeister reagiert.

Worum geht es? Einige Kilometer vor Rügens Küste wird seit Mitte März der potenzielle Baugrund erkundet. Der ansonsten für sein rabiates Vorgehen im rheinischen Braunkohlerevier bekannte Konzern, der es mit der Sicherheit selbst bei Kiesgruben nicht so genau nimmt, was schon mal Menschenleben kosten kann, will auf See in Sichtweite der Touristenstrände das größte LNG-Terminal Europas errichten.

Die Berliner Taz schreibt von zwei bis drei „Anlegetürmen“ für 300 Meter lange und 50 Meter hohe Spezialschiffe. Diese können das Flüssiggas von den ankommenden Tankern aufnehmen, erwärmen und an Land pumpen. Eine 38 Kilometer lange Pipeline soll am Meeresgrund ans Festland nach Lubmin führen, wo ein Anschluss zum Erdgasnetz besteht. In Lubmin, unweit von Greifswald, münden bereits die aus Russland kommenden und jetzt größeren Teils zerstörten Pipelines aus Russland.

Kritik kommt auch von der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die nach eigenen Angaben beim zuständigen Bergamt in Stralsund Widerspruch gegen die Arbeiten von RWE eingelegt hat. Der Greifswalder Bodden, durch den die Pipeline gelegt werden soll, sei hochsensibel.

Die neue Gasröhre sei eine große Bedrohung für Tourismus und die angrenzenden Schutzgebiete. Unter anderem gelte der Greifswalder Bodden als Kinderstube des gefährdeten Ostseeherings. Er sei aber auch Heimat zahlreicher Seevögel wie Tordalke, Eisenten, Prachttaucher, Sterntaucher und Zwergmöwen.

Des Weiteren beklagt die DUH, dass weder die Klimafolgen des Projektes geprüft noch eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden seien. Damit lägen schwere Verfahrensfehler vor, weshalb das Bergamt aufgefordert wird, die Genehmigung abzulehnen.

Telepolis hatte bereits vor einem Monat Untersuchungen von Umweltschützern zitiert, wonach der künftige Gasverbrauch erheblich überschätzt wird und daher gerade enorme Überkapazitäten bei den LNG-Terminals entstehen.

Wenn Deutschland hingegen seine Unterschrift unter die Pariser Klimaübereinkunft von 2015 ernst nehmen würde, müssten die CO2-Emissionen bis spätestens 2035 auf Netto-Null gesenkt und ab sofort um rund 60 Millionen Tonnen pro Jahr abgesenkt werden.

Das ist mit einer längerfristigen Nutzung von Erdgas, zumal wenn es sich um das besonders klimaschädliche Frackinggas aus den USA handelt, unvereinbar. Die jetzt getätigten Investitionen sind also entweder in den Sand gesetzt oder aber sie werden schon bald als Argument gegen wirksamen Klimaschutz eingesetzt.